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ihm offenbar freie Hand gelassen hatte, bewies er übrigens, daß er die architektonischen Grundlagen der Städtebaukunst sehr wohl kannte; denn hier hielt er sich eng an die französische Architekturrichtung, die er — der Deutsche! — mit viel größerem Ernste, aber nicht geringerer Leichtigkeit beherrschte. Ja, bei seinen Wohnhäusern (Schloßstraße 12, Brauerstraße 10 u. a.) kommt trotz der fein durchdachten Gliederung der Fenster- und Türumrahmungen und der Gesimse ein architektonischer Ernst zum Ausdruck, der im wesentlichen nur auf den glücklichen Verhältnissen beruht (Abb. 123 rechtes Eckbaus neben dem Rathaus).
Es ist zu bedauern, daß nach Knobelsdorff kein ebenbürtiger Architekt die Bauentwicklung der Stadt in der Hand behielt. Zwar sind die einzelnen Bauten in den meisten Fällen ausgezeichnete Werke eines strengen Formalismus, aber die Hoheit eines Knobelsdorff hat keines von ihnen erreicht. Zudem drangen durch den Einfluß des Königlichen Bauherrn wechselnde Moderichtungen ein, die zwar dem Stadtbilde günstig waren, die aber die fein abgestimmte Intimität wie die Knobelsdorffs nicht mehr erreichten. Der literarischen Flut, die stärker als zu der Zeit des ersten Preußenkönigs in der zweiten Hälfte des 18 . Jahrhunderts über Europa kam, setzte Friedrich um so weniger Widerstand entgegen, als sie zumeist von klaren Stichen begleitet war. Es waren zumeist klassische Spätrenaissance- und Barockwerke, die in den Bildern veröffentlicht wurden, oder mindestens Werke, die im Sinne der Zeit als solche galten oder im Anschlüsse daran erst entstanden waren. Diese Palastarchitektur nahm den Sinn des Königs gefangen, der in Boumann nicht nur den verständigen Ausführer seiner Absichten fand, sondern auch einen Architekten, der, ohne besondere Begabung, aber mit Fleiß und Geschick im Sinne dieser prächtigen Kunst zu komponieren verstand. Das Berliner Tor und das Rathaus und eine Anzahl von palastartigen Wohnhäusern erstand in dieser Zeit in unmittelbarer Nähe des Schlosses.1)
Um die Mitte des Jahrhunderts wendet sich der Geschmack des Königs nach einer anderen Richtung. Kania hat die Ursachen dieser Wandlung in der Reise des Königs nach Holland sehen wollen. Das mag in mancher Beziehung richtig sein; doch spricht
1) Siehe B. Kania, Die Architektur der Stadt Potsdam im 1 8. Jahrhundert. Mit. des Vereins für die Gesch. Potsdams. Bd. V, Heft 2. Potsdam 19 0 9.
Abb. 120. vom Stadtschloß in Potsdam.
Nach Aufnahme von Hofphorog aph F. Alt». Scbwaitz. Berlin NW. 87.