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Breiten Straße 10 in Berlin herrührt, verstand es, für seine künstlerische Tätigkeit einen breiteren Boden zu finden.
Die Malerei hatte in Berlin nur einen kleinen Aufgabenkreis. Die Tafelmalerei drang nicht in die Bürgerschaft; die große Flächenkunst fand nur noch in den Altarbildern oder in untergeordneten dekorativen Arbeiten der Paläste ein reicheres Feld ihrer Tätigkeit. Wirklich volkstümlich war nur der Kupferstich, dessen Werke durch Bücher, Kalender und größere Stiche auch in dem Bürgerhaus eine Stätte fanden. Ihm kam es sehr zustatten, daß gerade unter der Regierung des großen Königs zwei hervorragende Künstler in Berlin eine Wirkungsstätte fanden: Georg Friedrich Schmidt (1712 bis 1775) und Daniel Nikolaus Chodowiecki (1726—1801). Der erste, ein geborener Märker — er stammte aus Schönermark bei Berlin — und in Paris zu hohen Ehren gelangt, kam als Stecher der „Oeuvres du philosophe de Sanssouci" mit Recht zu einer angesehenen Stellung in der Berliner Kunstwelt. Ein erfindungsreicher, an der Schule Rembrandts sich bildender Künstler, zeigen seine damals hochgeschätzten Stiche einen kräftigen Zug in das Genrehafte, der auch seinen vielen Porträts eigen ist. Leider ging ihm die Gunst des Königs in seinen letzten Jahren verloren, vielleicht unter dem Schatten seines größeren Kunstgenossen Chodowiecki, dessen scharfe Augen die feinsten Schwingungen der friderizianischen Zeit erspähten, dessen Hand sie in unübertroffener Meisterschaft zu bannen verstand. Die großen geschichtlichen Ereignisse aus dem Leben des Königs waren der Nadel des letzteren ebenso willkommen, wie die kleinen Züge der Berliner Bevölkerung, deren Stärke und Schwächen er in gleich scharfer Beobachtung erfaßte wie die Darstellungen der großen zeitgenössischen Dichtungen. Lessing, Gellert, Bürger, Goethe, Voß, Hippel, Claudius, Basedow, Shakespeare, Cervantes u. a. sind durch ihn erst in Berlin heimisch geworden. Chodowieckis Realismus, seine unbefangene Beobachtungsgabe und sein herzhafter Humor waren der Zeit weit vorausgeeilt; er war, während Schmidt noch völlig im Banne eines äußerlichen Rokoko stand, diesem längst entronnen und auf eine kleinbürgerliche, stellenweis recht kleinberlinische Kunst zugeeilt, die erst in seinen letzten Lebensjahren sieghaft durchbrach.
Während sich hier schon eine Kunst ankündigt, die sich von der höfischen Tradition zu befreien sucht, geht die Bildhauerei völlig unter in der Dekoration — auch wenn sie für sich allein zu wirken sucht. Zwar der Realismus sucht auch hier Boden, aber er verflacht zu einer nüchternen Starrheit. Sie stand von vornherein ungünstig da, weil die dekorative Vormacht nicht so leicht abzuschütteln war wie in der Malerei. Die nüchternen Statuen der friderizianischen Helden auf dem Wilhelmsplatz1) in Berlin, die von Adam, Sigisbert Michel, Ränz, Ebenhecht, Elias Meyer, Bettkober und Tassaert herrühren, sind trotz ihrer nüchternen Wirklichkeit noch dekorativ ausgefaßt. Selbst die Statuen von Seydlitz und Keith, die von dem tüchtigen Holländer Pierre Antoine Tassaert (1729 bis 1788), dem späteren Akademiedirektor, geschaffen sind, stehen unter diesem Banne, dem sogar die Kunst eines Schadow nicht ganz entging. Aber sie haben sich doch in ihrer nüchternen Auffassung schon losgelöst von der gespreizten Kunst, die in der ersten Zeit Friedrichs besonders von den beiden Friedrich Christian Glume und Karl Philipp
1) Die Bronzestatuen sind später unter Kiß' Leitung gegossen, während die Originale sich jetzt im Kadettenhause in Lichterfelde befinden.
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