Anerkennung gebracht, Preußen war das Verständnis für die antike Kunst durch literarische Bestrebungen besser vorbereitet. Rechtsprechung, Philosophie, Kunst, Literatur und selbst das religiöse Leben hatten Anregungen empfangen, die langsam, aber unaufhaltsam die spielerischen Formen des Rokoko durch ernstere Gedanken hinwegspülte. Die Zeit war voll von Verheißungen; doch hinter ihnen stand ihr Gegenspiel, die Gemessenheit des Lebens, die innerhalb froher Tage dem einzelnen nicht die Majestät des Todes verhüllte. Tin stiller und erwartungsvoller Ernst lagerte über der Menschheit, aus dem sich eine starke Sehnsucht nach dem Landleben entwickelte. „Wie glücklich, wer wie wir, von Stadt und Hof entfernt, den Schöpfer im Geschöpf vergnügt bewundern lernt," stand als Tinführungswort auf einem damals viel gelesenen Buche.1) Eine Bejahung des Lebens war zur Anerkennung gelangt, die, angeregt durch philosophische Betrachtungen, selbst den Tod zu überwinden suchte und die Grabdenkmäler zu einer Verheißung des Lebens machte. Der Sensenmann mit Stundenglas und Hippe verschwand wie das Grab aus den Kirchen ; der Friedhof erweiterte sich zu einer heiteren Ställe der Ruhe, in der Stelen, Genien und Urnen von dieser geistigen Frontveränderung Zeugnis ablegten.
Als der Schlesier Carl Johann , Langhans (1733—1808) nach Berlin kam um hier seine ernste und wuchtige Architektur zur Geltung zu bringen, da mutete sie innerhalb des letzten Zopfgeplänkels an wie ein frischer, sprudelnder Quell. Das Brandenburger Tor, ein Monumentalbau von bis dahin unbekannten Verhältnissen, war ein erstes Zeugnis dieser Kunst, aber auch nur ein einziges. Gegenüber der friderizianischen Städtebaukunst mit ihrer Prospektwirkung kam hier ein anderes Prinzip zum Durchbruch, das in der einheitlichen Geschlossenheit einer Platzanlage die architektonischen Linien nicht in leisen Vibrationen ausklingen ließ, sondern sie durch einen Bau in einen beherrschenden Gegensatz zur umgebenden Architektur brachte. Das war eine Kunst der Einfachheit, aber mit einem Zug in das Große, der nur schwer eine Weiterentwicklung erlaubte; denn die Zeit, die den Biedermeierstil vorbereitete, hatte den Sinn für große Straßen- und Platzbildungen bald verloren: die Städtebaukunst hatte keine Künstler mehr. Die neue Welt kleinbürgerlicher Schlichtheit konnte gute und behagliche Wohnhäuser schaffen und auch größeren Bauaufgaben durch diese natürliche Schlichtheit einen engeren Zeitstempel geben; sie ordnete sich auch der guten traditionellen Hauskunst bereitwilligst unter, aber ihr fehlte der Entschluß, den Einzelwillen zu einem monumentalen Gesamtbilde zusammenfließen zu lassen, wie es die Energie Friedrichs ermöglichte. Mit der Vollendung des Brandenburger Tores 1793 ist die Zeit künstlerischer Städtebaukunst in Brandenburg abgeschlossen.
Langhans ist in dieser Zeit zweifellos der bedeutendste Künstler der Mark,2) obwohl er in seiner kurzen Wirkungszeit verhältnismäßig wenig geschaffen hatte. Zwar war seine Kunst eine Opposition gegen die Ausartungen des Rokokos, aber sie war doch von einem ernsten künstlerischen willen getragen, der sie auch dem Verständnis der Menge näherbrachte. Sie fand den Anschluß an die Wünsche des Bürgertums (wenn auch zunächst auf dem Wege über die Aufgaben des Herrscherhauses und der oberen Stände).
1) Brakes Landleben in Rützebüttel als des irdischen Vergnügens in Gott.
2) W. Th. Hinrichs, Karl Gotthard Langhans 1733-1808. 1808. Mt Z2 Tafeln. Straß
burg 1 9 11. Ed. Heitz.