Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
Seite
151
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Noch niemals vorher auch nicht in der Zeit der Renaissance war dem Bürger die künstlerische Macht eines Heimes so klar vor das Auge gestellt wie im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts, in dem die klassische Reinheit der Formen unmittelbar auf die Um­gebung und den Inhalt des Hauses übertragen wurde. Jetzt konnte auch der einfache Tischler, Maurer, Maler und andere Berufsleute die stilistischen Gesetze des Materials wieder an einer Form verstehen lernen, die ihm nicht allzufern lag.

Der Architekt Langhaus war der berufene Führer auf diesem Wege. Auch dem großen Röntge war das Wesen der neuen Kunst, der er ja durch den englischen Klassizis­mus schon genähert war, nicht fremd geblieben. Hatte er doch sogar die Absicht, dem schlesischen Baukünstler einen dauernden Einfluß dadurch zu geben, daß er ihn an die Spitze einer Bauakademie stellen wollte! Andere Pläne hinderten ihn daran; erst !788 wurde Langhaus als Direktor im Oberhofbauamte angestellt und ihm dadurch ein großer Einfluß auf die Baugestal­tung Berlins eingeräumt.

Neben dem Brandenburger Tor erstanden die Kolon­naden in der Mohrenstraße (Abb. 126), das Schloß­theater, das Belvedere in Charlottenburg und die Herkulesbrücke.

Gewiß hat Lang- hans viele Anregung aus Werken genommen, die über die griechischen Akro­polisbauten von Stuart und Revet herausgegeben wurden; aber er verstand es doch, diese papierne Kunst durch seinen persön­lichen Geschmack umzuwandeln. Seine Bauwerke stehen darum nicht fremdartig in der norddeutschen Stadt, sondern sie sind landgeboren wie nur irgendein Werk fremder Her­kunft. Die ihnen eigentümliche Schwere ist hier ein Vorzug, weil sie zugleich ein Protest war gegen die theatralische Ausartung der höfischen Kunst. Wenn auch ein Eingehen auf die landschaftliche Eigenart noch nicht angestrebt wurde, so waren doch die Wege dazu frei geworden. Von dem dekorativen Beiwerk sah er freilich nicht gänzlich ab; er gab ihm vielmehr als bildnerische Ergänzung noch eine erhöhte Bedeutung; aber er war vor­urteilslos genug, das dem Lande Eigenartige unter Umständen selbst gegen seinen persön­lichen Geschmack zu achten. So zeigt der obere Teil des Turmes von St. Marien in seiner naiven Gotik das gleiche Verhältnis des Meisters zu dieser Kunstrichtung wie zur Antike. Ebenso wie an den anderen Bauten Langhans' und seiner Schule bezeugt dieses Werk, daß die Zeit der geistreichen Zeichner überwunden war, daß wieder der fach­männische Architekt den alten Einfluß zurückgewann.

Abb. 126. Kolonnaden in der Mohrenstraße, von Langhans.