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Zusammenhang des Bauwerkes mit seiner Umgebung erkannt und daraus die Architekturwirkung systematisch studiert. Und das war bestimmend für sein Verhältnis zur Antike selbst. Sein Lehrer Gilly hatte die klassische Form an sich schätzen gelernt und das Bauwerk als einen selbständigen (Organismus zu entwickeln gesucht, der, unbekümmert um die Umgebung, durch die Größe und Klarheit der Gliederung wirkte. Schinkel ging darüber hinaus, indem er die Form aus der Umgebung heraus suchte und fand und mit dem ihm eigenen musikalischen Rhythmus gestaltete. Seine Architektur nimmt man nicht nur mit dem Auge wahr; man glaubt sie auch zu hören. Dieses Ginpassen des Bauwerkes in die Umgebung gibt ihm stets eine besondere Stimmung. Die wundervolle Säulenreihe des Alten Museums als Abschluß eines weiten Platzes, dessen Größe nicht ängstlich durch steile Fronten eingeschlossen werden, war völlig den örtlichen Verhältnissen angepaßt. Der von ihm geplante große Friedensdom auf dem Leipziger Platz sollte sich dagegen in freien und emporstrebenden gotischen Formen inmitten steilwandiger Palastfassaden erheben, was eine ganz andere architektonische Stimmung hervorgebracht hätte. Schinkels feines Gefühl hatte die mächtige Wirkung gotischer Kathedralen als Ergebnis ihrer beengten Umgebung herausgsfunden und damit ihre städtebauliche Natur erkannt, die erst jetzt wieder Beachtung erzwingt. Betrachtet man den nunmehr verschwundenen Palast des Grafen Redern auf dem pariser Platz mit den schweren Hormen der floren- tinischen Renaissance, vergegenwärtige sich, wie auf diesem geviertförmigen Platze eine antike oder gotische Fassade wirken müßte, dann wird man die feine architektonische Empfindung würdigen müssen, die überall den richtigen Ton für eine gegebene Umgebung fand.
Schinkels Verhältnis zur griechischen Kunst war also keineswegs ein so inniges, wie es u. a. bei Gärtner und Klenze in München der Fall war. Wo jener das Hellenische wählte, da lag seine Stärke nicht in der Horm, sondern in der Beherrschung ihrer Rhythmik. Dasselbe feine Gefühl klingt aus dem Schauspielhause, aus dem Alten Museum wie aus dem Backsteinbau der Bauakademie heraus; es hat ihn davor bewahrt, nur der Horm zuliebe zu bauen und gab ihm die Sicherheit, die griechische Kunst völlig modernen Bauaufgaben anzupassen. Darum wirken seine Bauten noch heute so außerordentlich frisch; darum haben sie nichts Gemachtes oder Erstarrtes an sich; darum fügen sie sich auch dem Berliner Stadtbilde so ungezwungen ein, daß sie bodenständig geworden sind. Es ist außerordentlich zu bedauern, daß es dem Künstler nicht vergönnt gewesen ist, seine großen Pläne für die Ausgestaltung Berlins durchzuführen; er hätte einen Stadtorganismus geschaffen, der für tzie Entwicklung der Stadt bis in unsere Tage hinein beeinflussend geblieben wäre.
Mit welcher Unbefangenheit Schinkel seine Aufgaben zu lösen verstand, beweist das Siegesdenkmal auf dem Kreuzberge, das als eine bildnisreiche, weithin sichtbare gotische Pyramide den Berg krönt. Die Überlieferung der gotischen Kunst war erloschen oder hatte sich als eine ungefüge handwerkliche Übung nur an Dorfkirchen kümmerlich erhalten. Was tat Schinkel, um seine Gedanken nicht an der Unvollkommenheit des Handwerks scheitern zu lassen? Er ließ kurz entschlossen den Hauptteil der Pyramide aus Eisenguß Herstellen, was zwar den Gesetzen der Gotik widersprach, aber mit Anlehnung an sie ein ungewohntes, neues, ganz Schinkelsches Kunstwerk ermöglichte. Auch der schöne gotische Erinnerungssarkophag in der Mitte des Marktplatzes in Gransee, wo die sterbliche Hülle