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eine andere Seite des Berliner Kunstlebens angeschlagen, freilich nicht mit genügender Berücksichtigung des Klimas. Mit derselben Umsicht nahm er sich des Handwerks an. Das heranbilden, Sammeln und gemeinsame Entfalten aller Kräfte schwebte ihm vor, wenn er durch eine große nationale Aufgabe, wie sie der Dom auf dem leipziger Platz sein sollte, erzieherisch auf das Handwerk wirken wollte. In diesem Einzelfalle war ihm dies allerdings möglich; doch fand er genügend Gelegenheit, dieses Interesse in anderer weise zu betätigen. Unter anderem durch 26 Hefte einer Sammlung architektonischer Entwürfe, die er von 1820—1837 herausgab, denen sich die „Grundlagen der praktischen Baukunst" und die „Möbelentwürfe" anreihten. Sehr große Anregung ist durch diese Vorbildersammlung in die breiten handwerkskreise getragen worden. Gewiß hat eine solche literarische Befruchtung auch viel zu der Hebung und Vereinheitlichung des Geschmacks beigetragen, aber auch die wirkliche künstlerische Empfindung weiter volkskreise unterdrückt. Doch gehört dies einer späteren Zeit an.
Jedenfalls hat eine solche tiefe und tätige Künstlernatur einen dauernden Einfluß auf ihre Zeit ausgeübt und auch außerhalb Berlins Wurzeln geschlagen. In Potsdam erstand die harmonienreiche Nikolaikirche als ein hochgekuppelter Zentralbau,1) dessen weiche Linien sich beherrschend und zusammenfassend über das schöne friderizianische Platzbild erheben. Bei dem Landhause Charlottenhof, unweit Potsdam (Abb. 130), hatte Schinkel (mit der tätigen Unterstützung von Persius) den erfolgreichen Versuch gemacht, die heiteren Formen Griechenlands mit dem märkischen Landschaftsbilde gärtnerisch zusammenzustimmen. Er lehnte sich zwar an die anspruchsvollen Formen eines dorischen Tempels an, aber er brach die feierlichen Akkorde durch den Anbau zweier Längsflügel, die den Eindruck des Tempels zu einer Vorhalle herabschwächten. Immerhin kam der Künstler hier schon dem romantischen Zuge der Zeit entgegen, dem das im normannischen Stil' erbaute, jedoch nicht gerade glücklich erfundene Schloß Babelsberg entstammt, während seine Entwürfe für kleinere Schlösser — darunter das humboldtschloß in Tegel — und für Dorfkirchen wieder den feinen Landschaftskünstler erkennen lassen. Der versuch freilich, den Turm der Dorfkirche in Neu-Hardenberg in einen elliptischen Oberbau ausklingen zu lassen, mußte in künstlerischer Hinsicht scheitern, weil diese runde Linie in einem zu schroffen Gegensatz zu den geraden und scharfen Ecken des christlichen Gotteshauses stand. Interessant ist die Kirche noch durch Schinkels Bestreben, die klassische
1n ) Sie ist 1820 erbaut; die von Schinkel vorgesehene Kuppel wurde indessen erst vo Persius 1843 begonnen und sechs Jahre später von Stüler zu Ende geführt.
Abb. 130 . Charlottenhof. Von Schinkel.
Au» „Stille Winkel der Mark Brandenburg". Vita-Verlag. Berlin.