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Basilikenform mit der Aufgabe der protestantischen in Einklang zu bringen, die er bereits an städtischen Kirchen angewandt hatte. Allerdings konnte nur ein Schinkel ein solches Werk wagen; andere sind damit gescheitert und haben nur bewiesen, daß eine Verbindung von Basilika und Dorfkirche mit einer völligen Ernüchterung des Raumes endet.
Man darf nicht vergessen, daß die Kunst auf allen Gebieten von bestimmten ästhetischen Voraussetzungen ausging, die durch einen Schinkel zu lebenswarmer Tat wurden, die aber in der Hand Minderbegabter zu einer frostigen und kalten Verstandeskunst erstarrten. Fast wie selbstverständlich fügen sich das Schinkelsche Museum, der Ausbau des in der Anlage verunglückten Boumannschen Domes und die prächtige Schloßbrücke mit ihren Bildwerken mit den älteren Bauten eines Schlüter, de Bodt, Nehring, Knobelsdorff u. a. zu einer gewaltigen städtebaulichen Symphonie zusammen, bei der jede Stimme an ihrem Platze war. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit aber endete die Kunst der Minderbegabten nach den ersten mißlungenen Versuchen, den antiken Geist in ihren Werkschöpfungen zum Ausdruck zu bringen, bei der nackten Bedürfnisform. Die elegische, traumhafte Stimmung der Kunst unter Friedrich Wilhelm II. war fast völlig verklungen, aber man war ihr mit Zirkel und Lineal zuleibe gerückt und hatte von ihrer vollen Plastik nur die steife Linie gerettet. 5o kam noch unter Schinkels Augen eine nüchterne Bedürfniskunst auf, die — von einem neuorganisierten Bürgertum getragen — keine andere Überlieferung hinter sich hatte als jene handwerksmäßigen schlichten Grundsätze, die sich -nach dem Ausgang des Rokokos vorzugsweise als (Opposition gegen die höfische Kunst herausgebildet hatten. And das war auch gut. Denn die Kunst gewann dadurch wieder Naivetät und Einfachheit zurück, die sie unter dem Einfluß einer einseitigen Dekorationskunst verloren hatte. Ja, mehr als das! Sie fand auch den Anschluß an die beste Zeit der bäuerlichen Kunst, die innerhalb einer sorgfältig und sicher vorbereiteten Hauskunst sich von ähnlichen Aweckgedanken leiten ließ, wenn wir heute diese Biedermeierkunst, die eine voreilig urteilende Stadtkunst später recht einseitig und von oben herab betrachtete, wieder mehr schätzen, dann bezeugen wir nur die Rückkehr zu jenen vernünftigen Grundsätzen.
Vorbereitet und geleitet war diese Entwicklung vor allem von der Plastik, die seit der Zeit des Großen Kurfürsten in Brandenburg immer breiteren Boden gewonnen hatte. Sie war später etwas zurückgetreten, aber nie ganz vernachlässigt worden. Als sie Anfang des 18. Jahrhunderts in Berlin zu einer neuen Entwicklung einsetzte, waren mit der gänzlich ausgestorbenen Holzplastik zugleich die letzten Erinnerungen an die mittelalterliche bzw. gotische Kunst abgestreift. Mit der Steinplastik zog schon unter Schlüter ein anderer weltlicher Geist, mit der stärkeren Ausbreitung der Porträtkunst ein strafferer Realismus herauf. Der Märker Gottfried ößter Schadow (1764—1830) ist ihr gr Vertreter. Das Denkmal des Grafen von der Mark in der Berliner Dorotheenkirche weist sowohl in dem klaren Aufbau als auch in der warmen Lebensfülle des anmutigen Körpers auf einen selbständigen, suchenden Künstler. Die leise Sentimentalität wird fast völlig in den Schatten gestellt durch die Natürlichkeit der Auffassung. Festeren Boden fand diese Richtung mit der Darstellung von porträtstatuen, bei denen Schadow eine scharfe Beob- achtung des Lebens mit einem großen Zug in der Auffassung vereinte. Dabei verließ er nie den Boden nüchterner Tatsächlichkeit, der besonders in dem Berlin Nicolais zu
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