Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
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nerisch gedacht waren. Dieses klare, bildnerische Erfassen sicherte seinen Einzelbildnissen und Statuen eine Wirkung, die von seinen Zeitgenossen wohl überschätzt wurde, ihn aber zu einem der besten Künstler des 19. Jahrhunderts gemacht haben. Der Mangel des Schadowschen Gedankenreichtums wird aufgehoben durch die ruhige Abgeklärtheit seines bildnerischen Gefühls, das nur da versagte, wo er mit den beschränkten Mitteln des Plastikers Geschichte darzustellen versuchte, wie bei dem Denkmale Friedrichs des Großen. Dem wachsenden Einflüsse Rauchs kam es außerordentlich zustatten, daß seine beste Zeit zusammenfiel mit den geistigen und politischen Strömungen, die in der Wiedergeburt des Vaterlandes ein Erwachen hellenischen Geistes sehen wollten und in dem Freiheitskampfe der Griechen ihre eigenen Wünsche von 1813 wieder lebendig werden sahen. Will man beide Künstler unmittelbar vergleichen, dann kann man in Schadows Werk die engere preußische Überlieferung erkennen, in Rauch aber schon den Vertreter einer größeren deutschen Kultur sehen.

Von der großen Lebensarbeit Rauchs, von dem die Kunstgeschichte etwa 400 Werke aufzählt, gehört nur ein verhältnismäßig kleiner Teil nach Berlin, obwohl er hier seit 1811 fast ununterbrochen wirkte und seinen Ruhm begründete. Schon mit seinem ersten größeren Werke, dem Grabmal der Königin Luise, erwarb er sich die Sympathie eines ganzen Volkes. Und nicht mit Unrecht; denn dieses, in jeder Linie unübertrefflich schöne Bildwerk, dem mit vielleicht nicht ganz so großen Erfolge später der Sarkophag des Königs folgte, zeigt die ruhige Sicherheit des Bildners, der hier die Königin, Frau und Mutter, mit der seelischen Verklärung einer Abgeschiedenen über­zeugungsvoll darzustellen wußte. Zn dieser seelischen Belebung steht er über dem Dänen Thorwaldsen, mit dem ihm die gemeinsame römische Studienzeit verband, überragt er auch den anderen Studiengenossen von Rom, Canova, dessen schmeichelnde Unwahrheit gerade damals eine für uns heute kaum verständliche Begeisterung erweckte. Noch eine zweite Darstellung der verblichenen Königin im Antikentempel zu Potsdam zeigt diese Vorzüge Rauchscher Kunst, bei der indessen eine etwas weichliche Stimmung nicht zu verkennen ist. Man wird nicht sagen können, daß Rauch besonders für weibliche Dar­stellungen begabt war; seinen Bildnissen ist im Gegenteil, mit Ausnahme der eben ge­nannten Luisenbildnisse, eine herbe Kraft eigen, die auch den vielen Männerbildnissen ein starkes und individuelles Leben gibt, ohne jedoch die geistige Stimmung zu unter­drücken. Eine dankbare Aufgabe war für ihn die Darstellung der Führer im Befreiungs­kriege, der Bülow, Scharnhorst und Blücher, von denen besonders Scharnhorst sich durch eine starke geistige Lebendigkeit auszeichnet.

Es bedarf keiner Frage, daß die Volksstimmung in der ersten Hälfte des Jahr­hunderts dem Bildhauer Rauch günstiger war als dem männlicheren Schadow, dessen Darstellungsgebiet an und für sich beschränkter war. Keiner hat das bereitwilliger und unter bedingungsloser Anerkennung der künstlerischen Verdienste zugegeben als jener selbst, dem die heitere Ruhe Rauchs fehlte, der aber doch die stärkere Künstlernatur war und geblieben ist. Dieser Zeitrichtung sielen auch die vielen Entwürfe Schadows für ein Denkmal Friedrichs des Großen zum Opfer zugunsten des großen Rauchschen Monumen­talwerkes. Der Gedanke, dem großen Preußenkönige ein Denkmal zu setzen, hatte seit Jahrzehnten die Gemüter beschäftigt. Daß er nicht zur Ausführung gekommen war,