Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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nennenswerten Eindruck zu hinterlassen. Trotzdem muß die Kunstgeschichte ihm Be­achtung schenken, weil er der typische Vertreter des damaligen Berlinertums in der Kunst war. Trocken, scharf beobachtend, selbstgefällig und genügsam, mit einem starken Selbstbewußtsein, war er gewissermaßen der Nicolai unter den Künstlern.

Friedrich Wilhelm III. hat nicht in der tätigen Weise wie seine Vorgänger in die Entwicklung der Kunst eingegriffen; aber er stand ihr mit warmer Anteilnahme nahe. Seins ruhige und schlichte Natur fand ihr Genüge an der klaren Einfachheit der Antike; seiner persönlichen Neigung entsprach es auch, nicht ohne zwingenden Grund den engen kreis seiner Künstler zu erweitern. Von einer frischen, vorwärtsdrängenden Entwick­lung ist in der Kunst nichts zu spüren; dafür aber begann sie unter der Regierung dieses Fürsten in weitere kreise zu dringen und volkstüinlich zu werden. Eine Hofkunst, wie noch zu Zeiten des großen Königs, war unmöglich, weil der Staat durch größere Aufgaben und durch die Einrichtung und Unterhaltung von Kunst- und Gewerbeschulen die kunstpflege auf einen breiten Grund gestellt hatte. Sehr stark waren zudem die künstlerischen Bestrebungen durchsetzt mit Anschauungen bürgerlichen Geistes, der indessen wenig Neigung verspürte, den Prozeß langsamer Klärung der Kunstgedanken irgendwie zu beschleunigen. Der Bürger war ja nicht mehr seit Generationen nicht mehr der selbstbewußte und kraftvolle Gestalter politischer und künstlerischer Kleinstaaten, son­dern ein mehr oder minder zufriedener Staatsbürger geworden, der seinen Anteil an dem Geschicke des Staatsganzen nach der Höhe seines Steueranteils bekundete. Nlit Ge­lassenheit nahm er an der städtischen Kultur teil; aber es fehlte ihm das Verständnis für die nationale Bedeutung einer auch von ihm zu fördernden kunstpflege. Er konnte und wollte nicht durch eine Pflege städtischer Kunst, geschweige denn einer persönlichen Hin­gabe, die ruhige Entwicklung stören, in der ihm die großen Staatsbauten, die zeit­weiligen Kunstausstellungen und allenfalls die damals einsetzenden Kunstverlosungen oder die käufliche Erwerbung eines Stahlstichs künstlerisch befriedigen. Wo aber das Hand­werk mitsprach, begnügte es sich, die ihm vom Staate zugewiesenen Anregungen klaren Blickes zu verarbeiten, d. h. in den meisten Fällen zu vereinfachen. So sehen wir das merkwürdige Wechselspiel, daß von der höchsten Stelle eine Kunst gepflegt wurde, die trotz aller Schlichtheit eine starke Feierlichkeit zur Schau trug, und daß das Volk dies? Kunst bereitwilligst ausnahm, um sie in sehr vereinfachter, fast nüchterner Gestalt zu be­halten. Biedermeierei! Und doch ruht in diesem, ursprünglich von oben herab ge­gebenen Wort eine Anerkennung; denn sie war keine schlechte Kunst, nur keine nationale, wenig impulsiv und gar nicht entwicklungsbedürstig, eine Kunst für den Tag und ohne den Schwung eines tieferen Gehalts. Das empfände,, zwar einzelne, wie u. a. auch Schadow und Schinkel, aber sie waren sich nicht klar darüber, daß dieser Kunst eine Überlieferung mangelte, ein Anschluß an das Heimatliche, daß sie nur das zeitlich enge Erzeugnis eines unfertigen Bürgerstandes war, geschieden noch von der staatlichen kunstpflege, die einem einseitigen Hellenismus zusteuerte und lange Zeit die Befriedigung künstlerischer wünsche für einen nur kleinen kreis erreichte, um schließlich doch an der inneren Kälte, an der Leblosigkeit eines erstarrten Ideals zu verkümmern. In dieser Lage war die geistige Spannung bereits recht hoch gestiegen, als sich auf einer ganz anderen Seite eine Wandlung ankündigte, die das fehlende nationale Feuer von der vater-