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schenPortal seinen pathetischen Gipfelpunkt erreichte. Hier noch eine Kuppel — ein an sich schon recht unarchitektonischer Gedanke! — aufzusetzen, konnte leicht diese schöne Wirkung zunichte machen. Und in der Tat ist die Stülersche kalte Linieneleganz ein Bruch des architektonischen Aufeinanders; er wird aber wesentlich gemildert durch die feinen Umrisse der in ihrer Wirkung durchaus imponierenden Kuppel. Leider entspricht das Innere mit seiner gekünstelten starren Stilstrenge nicht dem glücklichen Wurf des Äußeren.
Diese stilistische Einengung ist der Stülerschen Kunst überhaupt eigen, wo er, wie bei einzelnen Kasernenbauten auf die ihm fernliegende Burgarchitektur zurückgriff, verlor sie alle Strenge, wurde flatterhaft und kleinlich; wo sie, wie bei dem Erweiterungsbau des Alten Museums, den Schinkelschen Hellenismus fortzuführen suchte, ging die heitere, aber doch strenge Schönheit des griechischen Vorbildes unter in dem falschen Pathos des Baugefüges. Immerhin aber empfindet man dies noch weniger als die kahlen Unbehilflichkeiten der Stülerschen Kirchenbauten, der Jakobikirche (1845), der gotischen Bartholomäuskirche (1854—1858), der romanisierenden Markuskirche ( 1848 bis 18 55), d eren erster Entwurf von R unge stammt, oder der schwerfälligen Massenaufhäufung der Nationalgalerie, die sich trotz ihrer starken Anlehnung an griechische Tempelbauten wie ein schwerer Steinklotz hinter dem Schinkelschen Museumsbau erhebt. Erträglich wird sie nur durch die städtebaulich höchst bemerkenswerte Gestaltung der näheren Umgebung. Darin bewies diese Zeit überhaupt ihre Stärke, daß sie das feine Gefühl für den Zusammenhang von Bauwerk und Umgebung bewahrt hatte. Die im einzelnen anfechtbaren Matthäi- und Johanniskirche, der Säulengang vor der alten Klosterkirche, die von dem Thüringer August Söller (1805—1833) erbaute Michaeliskirche in ihrer Verbindung antiker und mittelalterlicher Formen, besonders aber die Friedenskirche in Potsdam1) und die Heilandskirche bei Sakrow, beide von dem feinfühligen, aber gleichfalls akademisch-dürftigen älteren Ludwig Persius (1800—1845), fügen sich in ihrer anmutigen und malerischen Gruppierung ihrer Umgebung vorzüglich ein. Sie lassen aber deutlich erkennen, daß der Grundzug in der Kunst dieser Zeit weniger ein architektonischer, d. h. ein von dem Bauwerk mit all seinen Teilen getragener, als ein landschaftlich malerischer war. Hierin kam das Erbe des Landschaftsmalers Schinkel noch nach seinem Tode zur Geltung; in dieser Verschwisterung von Landschafts- und Baukunst lag die Stärke, aber auch die Schwäche der Künstler. Denn die große landschaftliche Wirkung konnte oft die architektonischen Mängel verdecken und dadurch das körperliche Empfinden nach einem zweidimensionalen umbiegen. Oft genug ist dabei der Prospektmaler mehr zur Geltung gekommen als der Baukünstler, was mit der Zeit zu einer völligen Verkennung der architektonischen Gesetze führen mußte.
Bei dieser Richtung war es nahegelegen, ja selbstverständlich, daß die Gartenkunst eine besondere Pflege fand, daß ein so weiches, lyrisches Element wie die Pflanze ein wichtiger Faktor auch für die Architektur und im weiteren Sinne auch für die anderen Künste wurde (Abb. 133).
Die Gartenkunst hatte die von dem Großen Kurfürsten in Berlin eingeführte archi-
1) Vollendet von Stiller, Hesse und v. Arnim.