Der Eklektizismus.
Die Romantik hatte mit dem Tode Friedrich Wilhelms IV. ihren begeisterten Führer verloren. Wie fortan im äußeren Leben eine Politik der Sammlung und Vorbereitung eingeschlagen wurde, so verteilte sich auch dis künstlerische Energie auf alle Zweige des öffentlichen Lebens, ohne jedoch zu einem klaren Ausdruck des Zeitempfindens zu kommen. Nicht ohne bedeutsamen Einfluß auf diese Entwicklung war die Neugestaltung der äußeren Gewerbeverhältnisse, die seit der Zeit des Großen Kurfürsten allen Hohenzollern am Herzen gelegen hatte, die indessen erst mit der endgültigen Sprengung der alten Aunftgesetze durch die Edikte vom 2. November 1810 und 7. September 1811 feste Formen angenommen hatte und durch die Gewerbeordnung von 1845 und 1869 maßvoll weitergeführt worden war.1) Neue Elemente strömten in den Dienst des Gewerbes, Elemente, die weder die Überlieferung handwerklicher noch traditioneller Schulung mitbrachten, die daher auch die strenge Zucht eines seit Geschlechtern gewordenen Kunstgefühles entbehrten. Die gedankenlose Nachahmung wurde im Kleingewerbe eine Selbstverständlichkeit. Da keine neuen Anregungen kamen, so wurden im natürlichen Lauf der Entwicklung die Formen durch Übertreibung reicher, schwülstiger und unverständlicher. Auch die gewerblichen und Kunstschulen konnten diese Entwicklung nicht hemmen, da sie der Pflege der historischen Kunstform treu blieben. Zunächst verharrte die Baukunst noch äußerlich im Gleise romantischer oder auch hellenistischer Formen, aber auch sie wurden schematischer und reizloser. Werke von dauernder künstlerischer Bedeutung entstanden nur, wenn der Architekt es verstand, sich von der stilistischen Bevormundung freizumachen. Die Folge war dann freilich, daß sich alle denkbaren Kunstanschauungen in buntem Durcheinander friedlich nebeneinander behaupteten. Aber auf der anderen Seite war es wieder ein Erfolg dieses Eklektizismus, daß man mit großem wissenschaftlichem Eifer an das Studium der Architekturdenkmäler herantrat und die einzelnen Stile und ihre Entstehungsgesetze immer besser kennen lernte. Besonders die Berliner Technische Hochschule, die sich seit dem Zahre 1884 in ihrem neuen, von Lucae entworfenen, von Hitzig, Adler und Raschdorf erbauten Heim befand, hatte für die wissenschaftliche Architekturforschung hervorragende Vertreter, die ihre Erkenntnisse einer großen Anzahl von Schülern vermittelten. Männer wie Wilhelm Stier (1799 bis 1856), Otzen (1839—1911),s Adle r (1827—1908), Raschdorf f (1823 bi 1914)ls , Schäf er (1844—1908) , Jacobsth al (1839—1902) werden dauernd a Führer weiterleben, wenn sie auch eine wirklich große deutsche Baukunst nicht haben entstehen lassen. Aber trotzdem ging aus dieser wissenschaftlichen Kunst so viel ehrliches Streben hervor, daß wir die Arbeit dieses Zeitalters nur schätzen können.
Zahlreiche Vertreter dieser eklektischen Kunst fanden sich in Berlin zusammen, die ihren Rückhalt teils an der Bauakademie hatten, teils noch Anregungen aus den großen Tagen Schinkels schöpften. Friedrich Hitzig (1811—1881) hatte in seiner Vaterstadt Berlin eine Reihe von Wohnhäusern erbaut, die anfangs noch völlig in der landschaftlichen Romantik Schinkels standen, in späteren Zähren jedoch immer entschiedener der
1) Schmoller, Zur Geschichte des deutschen Kleingewerbes im 19. Jahrhundert. Halle.
Brandenburgische Landeskunde. Bd. IV. 12