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in Berlin von Knoblauch (1801—1865), äußerlich durch die Sprengung der orientalischen Formen durch zwei stilfremde Risalite und der machtvollen Kuppel recht wirkungsvoll dem Straßenbilde eingepaßt, innerlich mehr durch die dunklen Schatten des großen Raumes, als durch das Raumgefüge wirkend. Die eigentlichen raumgestaltenden Grundsätze waren der Zeit verloren gegangen, da stets nur die Fassade eine Rolle spielte. Die Wohnhäuser jener Zeit erscheinen in einer recht dürftigen, oft spartanischen Einfachheit und Gleichförmigkeit; doch erfreuen bisweilen die guten Verhältnisse. Einige Wohnhäuser von Strack, Stiller, Adler u. a. in Berlin und Potsdam verdienen Beachtung, weil sie als letzte Äußerungen des klassischen Ideals versuchten, weite Volkskreise für künstlerische Aufgaben zu gewinnen. Vielleicht hätten sie zu einer gewissen Abklärung und zu einem preußisch-berlinischen Stil geführt, wenn sie nicht durch den gewaltsamen wirtschaftlichen Auftrieb in ihrer Entwicklung gestört worden wären, der sich an den Krieg 1870/71 schloß, und der die Wilhelminische Epoche unterbrach.
Die Erfolge des Krieges hatten nicht nur eine ganz ungewöhnliche wirtschaftliche Entwicklung herbeigeführt, die sich zunächst in einer außerordentlich lebhaften Bautätigkeit zeigte, sondern auch neue große Aufgaben gebracht. Der Bau des Reichshauses hatte die ganze deutsche Architektenschaft auf den Plan gerufen, aus der Paul Wallot aus Offenburg a. Rh. (1842—1912) als Sieger hervorging. Sein prächtiger Bau, der die römische Palastarchitektur mit wuchtigem Ernst zu vereinigen sucht, zeigt, daß der Architekt sich von dem Eklektizismus freizumachen versucht, aber noch kann sich sein Können nicht über den Stoff erheben. Die fast überreich sprudelnde Phantasie zeigt sich in den reizvollen Einzelheiten, indessen wird die architektonische Wirkung durch die dadurch herbeigeführte Unruhe stark beeinträchtigt. Trotzdem hat gerade dieser Bau einen großen Einfluß ausgeübt, da sich seine Formen im wesentlichen an die deutsche Renaissance anlehnten, die damals als der ersehnte Ausdruck des Volkes auf der Höhe stand. Wenige Jahre vorher hatte in Berlin eine neue Gewerbeausstellung (1878) stattgefunden, die zeigte, daß sich aus dem Schwanken der Anschauungen immer stärker eine Renaissance herausbilden wollte. Obwohl zweifellos etwas tendenziös gefärbt, entsprach sie doch dem deutschen Empfinden, das in jener Zeit sowohl literarisch wie politisch sich auf einem Gipfel wähnte, hatten doch auch Richard Wagners Musikdramen die seelischen Neigungen des Volkes aufgewühlt und Felix Dahns Schriften, Gustav Freytags Dichtungen einzelne Zeiten wie einen Edelstein geschliffen! Da war die Zeit auch als eine Erfüllung angesehen, da wurde lebendig das Erinnern an die Großtaten der Hansa und der höfischen und bürgerlichenKunst, von der noch zahlreiche Bauten in dm deutschen Landen zeugten. Unversehens waren alle Stilbemühungen in die deutsche Renaissance eingemündet, die leider nicht die keusche Formenstrenge der Frühzeit übernahm, sondern ihren Ausgang von der reifen Fülle der süddeutschen Hochrenaissance nahm. Auch in Berlin. Das Prings- heimsche Haus in der Wilhelmstraße von Ebe (geb. 1834) und Benda mit seiner far- bigen Schauseite ist noch zurückhaltend und ohne Nachfolge geblieben (Abb. 137). Andere Bau- werke wie die Linden-Passage von Kyllmann (1838—1913) und H eyden (1838 bis 1 902 ) stehen völlig unter dem Einflüsse einer quellenden Formenfreudigkeit, die aber gerade durch die reiche Fülle recht trocken wirkt. Einen hervorragenden Bau schuf der treffliche, leider früh verstorbene Martin Gropius (1824—1880) in dem Kunstgewerbemuseum.
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