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Sowohl in der durch Farbe und Plastik gleichmäßig abgestuften rhythmischen Wirkung, als auch in der überzeugenden Klarheit des Baugedankens steht dieses Werk vielleicht an der Spitze des gesamten baukünstlerischen Schaffens der Wilhelminischen Zeit. Bei der fast unübersehbaren Reihe von großen Monumentalbauten, die gerade in den letzten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in Berlin entstanden (Bodenkredit-Aktienbank und Mitteldeutsche Kreditbank von Ende [1829—1 907] u nd Böc km ann [1832—1902] Generalpostamt von Schwatlo) ist das Kunstgewerbemuseum wohl die letzte bedeutsame Äußerung des Schinkelschen Geistes in Brandenburg. Unaufhaltsam trieb die Entwicklung dahin, die von der Neurenaissance eingeschlagenen Wege der Überfülle, der Häufung von Einzelheiten, der sportmäßigen Anwendung von Giebeln, Türmen, Säulen, Freitreppen und anderen Requisiten bis zur kulissenartigen Hohlheit zu verfolgen. Vergebens kämpften einzelne einsichtige Kunsthistoriker — wie der Berliner Julius Lessing und der Hamburger Alfred Lichtwark — gegen diesen Formentaumel, den gerade die Kunstgeschichte mit ihren vielen Vorlagewerken am kräftigsten unterstützt hatte, vergebens stemmte sich die staatliche Baupflege mit einzelnen Werken, wie der Lucaeschen Technischen Hochschule, gegen diese Auswüchse. Eine völlige Verwilderung brach besonders in der Privatbaukunst herein. Die ungeheure Mehrheit aller bis Ende des Jahrhunderts erstandenen Bauten bezeugt ein völliges Darniederliegen jeder künstlerischen Schöpferkraft. In dieser Ode ragen selbst die schematischen und künstlerisch recht dürftigen städtischen Bauten hervor, die in dem Stadtbaurat Blankenstein (1828—1910) einen einseitigen, aber doch zielbewußten Leiter hatten. Der Absturz von der lauteren Gesinnung der sechziger Jahre war so groß, daß selbst die rasch emporwachsenden Vorstädte mit amerikanischer Dürftigkeit angelegt wurden, während noch unter Friedrich Wilhelm IV. eine städtebaulich so hervorragende Anlage wie der Alsen- platz mit der schönen Alsenbrücke entstehen konnte, wurden jetzt die großen städtebaulichen Anlagen vorwiegend von dem Geometer erledigt.
Abb. 137. Mittelteil des Pringsheimschen Hauses. Von Ebe und Benda.