Die Ursachen dieses Niederganges sind nicht nur in dem gewaltigen Anwachsen Berlins, sondern auch in dem erfolglosen Bestreben zu sehen, aus der Hinterlassenschaft der Vergangenheit einen Ausdruck unseres Zeitempfindens programmäßig zu formen. Solange es sich logisch aus der Lage entwickelte, wie in der Schinkelschen und Nach- schinkelschen Schule, wurde das Vergebliche durch die straffe Einheitlichkeit der Aünstler verdeckt, sobald es sich jedoch sprunghaft von einem Stil zu dem anderen wandte, um schließlich bei dem üppigsten zu enden, konnte der Ausgang nur der völlige Niedergang sein. Dazu kam, daß durch die schrankenlose Gewerbefreiheit Elemente in das Baugewerbe kämm, die weder technisch noch künstlerisch dazu vorbereitet waren. Das schlimmste aber war, daß auch die Bevölkerung durch literarische Überflutung in seinem Urteil verwirrt wurde und die Nachahmung der Aunst noch durch die Begünstigung aller minderwertigen Ersatzstoffe begünstigte.
Etwas günstiger als Baukunst und Aunstgewerbe, das seine Grenzen zudem noch gegen die weitgespannte Tätigkeit der Industrie zu verteidigen hatte, lagen die Verhältnisse in der Malerei und der Plastik. Zwar fehlen auch hier die starken Persönlichkeiten, und wo sie sich fanden, da wurzelten sie gleichfalls in der Aunst eines früheren, aber doch nicht so fernen Zeitalters. Ihnen wurden aber auch Aufgaben gestellt, die unmittelbar von der Zeit getragen waren. Auch war, da noch manche Aünstler aus der Rauchschen Schule stammten, die Überlieferung nicht so schroff abgerissen wie im Bauwesen. Unmittelbarer Zusammenhang mit der Schadowschen Schule wurde zudem noch durch den Berliner Friedrich Tieck (1776—l85f) aufrechterhalten. Seine Porträtkunst, die dem klassischen Vorbilde modern menschliche Züge zu geben wußte, ist freilich nicht einflußreich gewesen, aber die lebensvollen, im Aufbau architektonisch empfundenen Rossebändiger auf dem Alten Museum sind volkstümlich geworden. Auch der in Berlin wohnende Westfale Friedrich Drake (1805—1 822) gehörte zu jener plastikerschule, die unter Friedrich Wilhelm IV. führend war. Während Tieck sich an den alten Schadow anlehnte, pflegte Drake die weichere Art seines Lehrers Rauch. Nicht ganz glücklich bei der etwas schwerfälligen Darstellung der „Nike den Sieger krönend", die auf der Schloßbrücke steht, ist sein Denkmal Friedrich Wilhelms III. im Tiergarten eine Vereinigung hellenistischer Schönheit und individuellen Lebens. In der schwerfälligen Göttin auf der Siegessäule hat Drake jedoch keine Schöpfung hinterlassen, die sich mit der anmutigen Nike Rauchs vergleichen läßt. Friedrich Schievelbein aus Berlin (1817 bis 1867) wandelte auf akademisch strengen Pfaden, die ihn auf das Gebiet der Antike wiesen. Seine Schloßbrückengruppe, „Pallas den Jüngling in den Waffen unterrichtend", mutet fast wie ein griechisches Original an in ihrer klaren Komposition und ihrem starken Naturgefühl. Er ist, wenn er nicht durch die Aufgabe in eine andere modernere Richtung gedrängt wird, der einzige Berliner Bildhauer, der Schinkelsche Aunst auf diesem Gebiete vertrat. Der Fries im griechischen Hofe des Neuen Museums, „Pompejis Untergang", ist das beste Denkmal seines Wirkens in Berlin, von ausgezeichneter Komposition und reicher Phantasie. Die lebensvolle Statue Steins auf dem Dönhofsplatz haben nach dem Tode des Meisters seine Schüler vollendet. Auch der Rheinländer Gustav Bläser (1813—1874) hatte sich der Rauchschen Richtung angeschlossen und