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in der Gruppe auf der Schloßbrücke „Athene dem Krieger beistehend" etwas dem Schievel- beinschen Ebenbürtiges geschaffen.
Sind diese Künstler noch der älteren Generation zuzurechnen, bei der die Antike immer wieder durchschlägt, so vertritt der Schlesier August Kiß n (1802—1865) scho eine stärkere dramatische Richtung, die sich stellenweise bereits dem Naturalismus nähert und den Übergang zu der jüngeren Berliner Schule bildet. Schon die Amazone vor dem Alten Museum, von starker Bewegung, aber von einer bedächtigen Zurückhaltung der Formen, deutet eine kräftigere Art an, die bei dem großen St. Georg auf dem Schloßhof in Berlin völlig vor der starken Leidenschaftlichkeit zurücktritt (Abb. 138). Weniger gelang ihm die Darstellung ruhiger Würde, die in der Statue Beuths und dem Standbilde Friedrich Wilhelms III. in Potsdam fast gezwungen erscheint. Die Plastik durchzittert eine Unruhe, seit die Architektur die schlichten hellenischen Grundsätze aufgegeben hat; sie mußte sich dem neuen Zuge anschließen, sobald sich ein Führer fand, die literarischen Gedanken der Zeit bildhauerisch zu vertreten. Dieser Mann war der Berliner Reinhold Begas (1831 bis 1912). Er sprengte die Fessel der Antike und strebte einem Realismus zu, der um so überzeugender war, als er von vollendeter Technik getragen wurde. In den antiken Vorwürfen „Hagar und Ismael", „Amor Psyche tröstend", „Faunenfamilie" blieb dieser Realismus noch gedämpft und auf die Technik beschränkt; in dem schönen Schillerdenkmal ist das pulsierende Leben mit starker Innerlichkeit gepaart. In den späteren Schöpfungen hat Begas oft den gesunden Realismus seiner Jugend durch äußerliche Übertreibungen geschwächt. Sowohl das Kaiser-Wilhelm-Denkmal wie das des Fürsten Bismarck leiden in ihrer wuchtigen Größe unter dieser Veräußerlichung, während die Standbilder selbst die Meisterschaft des Realisten zeigen. Begas' Einfluß war entscheidend für die weitere Entwicklung der Berliner Schule, die besonders in der Denkmalkunst ganz hervorragendes leistete, aber vereinzelt wieder zu einer ruhigeren Klärung zurückkam. Enckes ( 18 4 3 — 1896) Denkmal der Königin Luise, Ottos (1846 bis 1893) Humboldt-Denkmäler vor der Universität, Schapers (geb. 1841) Goethe; sie stehen mehr oder minder im Banne der Begasschen Kunst, ohne auf persönliche Gestaltung zu verzichten.
Der Realismus hatte den Hellenismus abgelöst. Die Großstadt hatte jedoch, trotzdem sie in der Akademie einen einflußreichen Mittelpunkt besaß, nicht die Kraft, die in ihrem Umkreis sich sammelnden Künstler zu einer einheitlichen Gruppe zu verschmelzen.
Abb. 138. Amazone, von A. Kiß.