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Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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Neben dem Realismus Begasscher Richtung hatte selbst die Rauchsche Schule ihre Spuren weiter gezogen und war schließlich auf einem anderen Wege zu einem Realismus gelangt. Sein Träger war der Mecklenburger Albert Wolff (18141 892 ), dessen Anfänge noch in die Zeit Friedrich Wilhelms IV . fallen, dessen größere Werke jedoch der Wilhelminischen Epoche angehören. Von der Rauchschen Schule war er zu einem Realismus gelangt, dem jedoch eine lyrische Grundstimmung jede Schärfe nahm. Die Schloßbrückengruppe,Pallas führt den Krieger in den Kampf", zeigt noch alle Züge Rauchscher Kunst. Entschlossener tritt die lebensvolle, kräftigere Natur Wolffs in dem Kampf mit dem Löwen" vor dem Alten Museum zutage. Mit der Kißschen Dar­stellung an derselben Stelle verglichen, erscheint die Wolffsche Gruppe jedoch zaghaft, ohne dabei durch eine größere Geschlossenheit zu entschädigen. Der Darstellung größerer Bewegtheit war er nicht gewachsen. Liebevoll und würdig, aber durch das Postament etwas verunglückt, ist das Denkmal Friedrich Wilhelms III. im Lustgarten. Lebensvolle Naturwahrheit und eine außerordentlich glückliche Komposition verbinden sich bei dem großen Relief an der Siegessäule: Einzug in Berlin.1) Es ist dieses Werk vielleicht die beste Reliefdarstellung der Wilhelminischen Zeit.

Neben Begas tritt als die kräftigste Persönlichkeit dieser Zeit der Königsberger Rudolf Siemering (18331905). Bleibt der Realismus des echteren auf einer sehr unruhigen Linie, die immer nach neuen Stoffen und Gestaltungen strebt, so hat sich der des anderen dauernd aufwärts bewegt. Sein Realismus war zielbewußter, aber auch milder; er vereinigte eine scharfe Beobachtung mit einer ungezwungenen, zum Teil monumentalen Komposition. Freilich liegt seine künstlerische Tätigkeit vielfach außer­halb Berlins; nur wenige Denkmäler, darunter das geistreich aufgefaßte Gräfe-Denkmal vor der Charité, ein sitzendes Bildnis König Wilhelms I. in der Börse und eine Reihe dekorativer Arbeiten gehören der Berliner Kunstgeschichte an. Nicht ohne starken Ein­fluß ist er auf Otto Lessing (18461912) geblieben, der eine besonders fruchtbare Tätigkeit in seinen dekorativen Plastiken entfaltet hat. Der große Schwung dieser Arbeiten ist auch seinen Denkmälern eigen, die aber doch schon stark äußerlich wirken und die Wiederspiegelung des Seelenlebens vermissen lassen.

Wie in der Baukunst tritt auch in der Berliner Plastik das moderne Gesicht erst nach dem großen Kriege hervor. Dieses Gesicht erhielt seine Züge durch den stärker werdenden Realismus, dem sich in späteren Jahren eine hervortretende Neigung zu einer äußerlichen Dekoration zugesellt. Naturgemäß bewegt sich auch die Malerei in gleichen Bahnen, aber diese Entwicklung ist ruhiger, trotzdem sich ihre Darstellungsgebiete sehr erweiterten. Auch durch sie geht ein Zug der Ermüdung, der jedoch nicht so stark in die Erscheinung tritt, weil sie im Schatten eines der größten modernen Meister, Adolf Menzels (18151905), steht. Wie ein Riese durchragte zwei Geschlechter lang die Kunst dieses Schlesiers, der unbekümmert um zeitliche Richtungen und persönliche Einflüsse unablässig und mit stets wachsender Vollkommenheit einem Realismus die Bahn brach, voll von sprühendem Leben, geistreicher Charakteristik und unermüdlicher Beobachtung aller

1) Die drei anderen Reliefs sind von Alexander Calandrelli (18341903) (Vorbereitung zum Kampf und Erstürmung der Düppeler Schanzen), M. Schultz (18251904) (Schlacht bei Königgrätz) und K. Keil (18381889) (Kapitulation von Sedan und Einzug in Paris).