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dauernde Belebung des Kleingewerbes ist dadurch nicht erreicht worden. Der Übergang von der bis zum Unwahren verzerrten Neurenaissance zu dem Barock und Rokoko und anderen vorübergehend bevorzugten Zeitstilen hatte keinem von ihnen eine stärkere Lebenskraft gegeben. Auch die Schöpfung großer Kunstmuseen hat diese Entwicklung nicht hemmen können, da sie anstatt einer künstlerischen einer historischen Disziplin zustrebten und die von ihnen gesammelten großen Kunstschätze zu einem Stilleben in dem dämmernden Zwielicht der Räume zwangen.
So beklagenswert es ist, daß die große Zeit Deutschlands in der bildenden Kunst der Mark (und auch im Reiche!) einen gleichmäßig großen Widerhall nicht gefunden hat, so ist diese Entwicklung aus der Natur der künstlerischen Wandlungen zu verstehen. Die Kunst hat nie plötzliche Wendungen gemacht, nie im Anschlüsse an ein großes, aufwühlendes, geschichtliches Ereignis eine schroffe, völlig grundstürzende Änderung erlebt. Auch nach 1871 nicht. Zu dem Reifen einer wahren künstlerischen Kultur gehören Jahrzehnte voll pflügender und mähender Arbeit, bis der Boden und die Frucht reif sind für eine gleichmäßige nationale Saat. Auch in Brandenburg waren die Jahre des Eklektizismus nicht vergeblich; erst heute zeigt es sich, daß der große Prozeß beginnt, der die in der Tiefe aufgewühlten Kulturelemente aufrichtet und aus ihnen neue verheißungsvolle Triebe entwickelt. Wohin sie im einzelnen streben, können wir nur ahnen, sicher aber erkennen, daß eine neue Bewegung einsetzt im Ringen um einen künstlerischen Ausdruck unserer nationalen deutschen Kultur.
Von 1888—1913.
Etwas Strenges und Gediegenes, im guten Sinne etwas Lehrhaftes war der Kunst der Wilhelminischen Zeit eigen. Das paßte zu der Zeit, die durch den deutschen Schulmeister die Schlachten und Siege von Königgrätz und Sedan geschlagen hatte. Der Ernst und der Formalismus in der Kunst waren zum Teil bedingt von dem preußischen Wesen mit seinem starken pflichtbewußtsein, seiner Ehrenhaftigkeit und seiner Geradheit. Wenn diese einer starken Künstlerindividualität keineswegs günstig waren, so zeigten sie sich doch auch niemals kunstfeindlich. Alle monumentalen Werke dieser Zeit sind durchaus achtungswert und ästhetisch zu rechtfertigen. Sie verletzen nie; aber es fehlt ihnen vielfach der Schwung einer hinreißenden Begeisterung. Es fehlt ihnen auch zumeist eine freundliche Anmut, eine harmlose Heiterkeit, die noch der Kunst des Neuhellenismus nicht fremd war. Die Zeit war schlicht, ernst und groß; auch in der Kunst konnte kein anderer Geist sein, kein anderer Rhythmus schlagen.
Trotzdem schlummerten unter der Obexfläche neue und große Gedanken. Ein gewaltiger wirtschaftlicher und sozialer Austrieb hatte Kräfte und Aufgaben gezeigt, die nach Anwendung und Erfüllung verlangten, hinter dem Eklektizismus tauchten Gedanken auf, die ihm schroff entgegengestellt waren, und die — in ihren Zielen und wegen noch unklar — das Recht der künstlerischen Persönlichkeit geltend machten, hieß das Stichwort ursprünglich „Naturalismus", so war dieser doch nur ein Vortrupp für einen reicheren geistigen Aufmarsch, wenn sich an den Namen des Malers Max