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Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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Liebermann, der sich programmatisch für den Ausschluß von Gedanken in der Kunst ausgesprochen hatte, eine in ihren Werken selten erfreuliche Kunstrichtung knüpfte, wenn ferner ein neuer Faktor, der Kunsthandel, Einfluß auf die Entwicklung der Kunst ;u er­langen suchte und durch reiche Zufuhr romanischer Werke dem deutschen Schaffen fast gewaltsam eine sogenannteModerne" zu erpressen suchte, so hat dies das stille und stetige Wachsen geistiger Kräfte nicht erschüttern können, hinter denen eine immer stärker werdende nationale und bodenständige Kunst ersteht. Es darf freilich nicht verkannt werden, daß das ehrliche Streben der naturalistischen Schule der Scheinkunst und dem phrasentum ein Ende bereitet hat, aber es ist ebensowenig zu übersehen, daß mit dieser Virtuosenkunst der Mangel einer großen modernen, tiefinnerlich begeisterten und be­geisternden Kunst nicht überwunden ist. Die Wahrheitsenergie dieser Richtung hat auf allen Kunstgebieten säubernd, aber nicht gestaltend gewirkt; dazu fehlte es ihr am geistigen Gehalt und an Geschlossenheit. Welche Gegensätze verkörpern allein seine Führer! Auf der einen Seite der starre Armeleutmaler Max Liebermann (geb. 1847), der sich in seinen durchaus nicht zu unterschätzenden Porträts aus Radikalismus bis zur künstlerischen Roheit vergißt, auf der anderen der feinsinnige, gedankentiefe und naturfreudige Ost­märker Walter Leistikow (18551908), dessen grübelnde Innerlichkeit der Groß­stadt erst die feinen Reize ihrer Umgebung erschlossen hat. Hier der kühle, konstruierende und nüchterne Peter Behrens (geb. 1868), auf der anderen der aristokratische, linien- und farbenfreudige Messel (18531909). Größere Gegensätze in den Reihen der Stürmer sind gar nicht denkbar, und doch sind sie geeint durch ihren Gegensatz zum Eklektizismus.

Auf der anderen Seite ist dieser auch nur eine bequeme Fessel, um eine angeblich zurückgebliebene Kunst einzuschnüren. Gewiß gibt es und gab es immer Künstler bei den sogenannten Eklektikern wie bei den Naturalisten!, die nur in der Nachahmung vermeintlich größerer Kunst ihr Heil sehen; die starken Persönlichkeiten einer großen Zeit machen die Entwicklung vom Naturalismus zu einer geistigen Kunst durch. Die reifen Manzel (geb. 1858), Tuaillon (geb. 1862), Lederer (geb. 1871) u. a., unter sich durchaus verschieden, sind doch in ihren Erstlingswerken dem gemeinsamen Boden des Naturalismus entsprossen. Geeint sind sie, wie viele andere auch, durch das Ringen nach einem alten Menschheitsbesitz, nach der Schönheit, das jeder Künstler von neuem durchmachen muß. Was man dem Begriff auch unterlegt, wie sehr auch die Werturteile darüber schwanken, der große und alte Gegensatz zwischen schön und häßlich, der in letzter Linie nur das Geistig-Edle gegen das Körperlich-Rohe verdeckt, hat auch in der Gegenwart seine reinigende und scheidende Aufgabe nicht aus dem Auge verloren. Un­bedingt aber hat er ohne vielleicht immer in seinem Wesen erkannt zu werden in der Weltstadt das Feuer angeblasen, in dem sich die Entwicklung zu einer bleibenden deutschen Kunst vollzieht. Und wenn wir unter dieser Voraussetzung der realistischen, selbst naturalistischen Kunst eine innerlich warme Gemütskunst entgegenstellen, dann zeigt sich bei den wirklich großen Künstlern, daß ein solcher Gegensatz nicht vorhanden ist oder sich zu einer höheren Einheit zusammengefunden hat.

Für die Provinz Brandenburg bedeutet diese Erkenntnis einen Wegweiser in der Frage nach der künftigen Gestaltung der Kunst. Zunächst ist sie abhängig von Berlin,