Part 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Place and Date of Creation
Page
188
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image

188

und Berlin ist Weltstadt. Es mußte so kommen, nicht, weil sie des Reiches Hauptstadt ist, sondern weil sich die sozialen und wirtschaftlichen Kräfte auch in der Kunst verschoben haben, wir haben gesehen, daß sich geschichtlich die Kunstentwicklung um die Hauskunst, städtische und Hofkunst gruppiert; wir haben verfolgt, wie sich gerade in Brandenburg die großen künstlerischen Erfolge an die Hofkunst anschlossen, bis sie unter Friedrich dem Großen ihren höchsten Punkt erreichten. Gerade die wirtschaftlichen Bestrebungen dieses Königs machten die Wege frei für eine neue bürgerliche Kunst, die indessen schon einen stark industriellen Einschlag hatte und sich daher an die Formen der Hofkunst anlehnte, wieder waren es wirtschaftliche Kräfte, die dieser üppigen Kunst ein Gegengewicht in der Biedermeierei schufen, die in Dürftigkeit, aber auch in ehrlicher Gesinnung die ersten drei Jahrzehnte des ssi. Jahrhunderts beherrschte. Auch die bäuerliche Hauskunst war nicht erloschen, aber sie war angesichts der Gewerbekunst zurückgedrängt oder zu einer industriell arbeitenden Hausindustrie geworden. Die ehemals engen Beziehungen zwischen Kunstweck und Besitzer waren recht weit geworden; das erstere wurde ohne besonderes Verständnis, vielfach als Modeleistung erworben. Und die Provinz hatte ihre örtlichen Unterschiede ausgeglichen, um ihre Anregungen lediglich aus Berlin zu holen, wo der Sammelpunkt aller künstlerischen Arbeit war. Die Weltstadtkunst selbst war zum Teil weltstadthandel geworden und damit allen Schwankungen des Marktes unterworfen, der wiederum seinen Einfluß als Kunstmode nicht als Kunst ausübte. Umspannt aber war das Ganze von den aus wirtschaftlichen nicht aus ästhetischen Erwägungen hervorgegangenen kunsterzieherischen Bestrebungen des Staates, die notgedrungen auf eine unpersönliche Kunst der mittleren Linie drängten, aus eine Kunst guter Mittelmäßigkeit, müder Anstoßlosigkeit.

In diese Zeit fiel der Regierungsantritt Kaiser Wilhelms II. wie viele seines Hauses hatte er ein warmes Interesse für alle künstlerischen Bestrebungen, vor allem aber eine persönliche Vorliebe für die bildende Kunst. In wenigen Jahren entstand im Tiergarten jene Herrschergalerie, die wie ein bildnerisches Forum die Geschichte Bran­denburgs mit dem Siegesdenkmal der letzten drei Kriege verbinden sollte. Naturgemäß ist mit einer solchen Mäzenatentat noch keine neue Kunst geschaffen, sollte es auch nicht, weil in dem Thaos der achtziger Jahre die eklektische Kunst die einzige war, die Bestand verhieß. Der Eklektizismus hat sich in der Tat bis heute noch neben einer modernen und zugleich nationalen Richtung erhalten; aber er hat doch ein anderes Gesicht be­kommen, aus dem die welken Züge verschwanden, um einem männlichen Ernst Platz zu machen, was aber von größerem Gewicht war, ist die persönliche Stellungnahme des Monarchen in künstlerischen Fragen. Sie ist nicht immer geteilt worden; sie hat auch Mißverständnisse hervorgerufen; aber es tritt doch immer schärfer hervor, daß in künst­lerischen Fragen es neben dem persönlichen Gefühl des Schöpfers auch einen persönlichen willen des Bestellers gibt. Seit der Zeit Friedrich Wilhelms IV. war er zum Teil aus­geschaltet. Das Ergebnis war eine eklektische, aber doch nur korrekte Kunst. Nun trat zu den unpersönlichen Einflüssen des Staates der starke Kunstwille eines Herrschers, der auch lebhaft für die Wirtschaftsinteressen der Künstler eintrat. Die Kunst ist nie Massen­erzeugnis. Auch in der Hauskunst ist sie ein aristokratisches Erzeugnis. Nur in der Ära der staatlichen Kunst sollte sie abhängig sein von dem Wunsch und dem willen einer