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einseitigen Zukunftsästhetik einer Minderheit! Das ist ein Widerspruch mit der Lebenskraft der Kunst und muß zur Massenerzeugung führen.
In den letzten 25 Jahren hat die märkische Kunst den Faden wieder ausgenommen, den sie vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte fallen lassen. Indessen ist die Überlieferung historischer Kunst nicht unberührt von dem Erwachen neuer Kunstgedanken geblieben. In dem neuen Landgericht hat Schmaltz (1856—1906) ein Bauwerk geschaffen, das an die beste Zeit des Barocks anknüpft, das aber in allen Zügen voll von persönlichem Leben ist. Die reichgegliederten, weichen Umrisse der beiden Türme sind von einer harmonischen Reife, die sie zu den schönsten Turmbauten der Gegenwart machen und manches Unabgeklärte, Stürmische in der übrigen Architektur dieses Baues aufheben. Die Monumentalbauten des Herren- und Abgeordnetenhauses, beide von Friedrich Schultze (1843—1912) bereicherten das Architekturbild Berlins nicht allein, sondern nahmen auch in städtebaulicher Beziehung wieder die gute Überlieferung auf. Während sie in ihrer schlichten Monumentalität durch straffe Gliederungen wirken, strebte der Ihnesche (geb. 1848) Neubau der Königlichen Bibliothek zu reicheren Einzelformen, ohne die einfache Klarheit des großen Hauses zu beeinträchtigen. Kraftvoll ist auch das von demselben Architekten erbaute Kaiser-Friedrich-Museum in seiner ruhigen Geschlossenheit. Fehlt diesen und auch der von Cremer und Wolffenstein erbauten Hochschule für bildende Kunst noch jede stärkere persönliche Note, so entschädigen sie reichlich durch die treffliche Beherrschung architektonischer Formen. Der größte Bau dieser Zeit, der von Raschdorff (1,823—1914) errichtete Dom, stellt sich durch die machtvolle Kuppel zwischen das Schlütersche Schloß und das Schinkelsche Museum, ohne die schöne Platzwirkung zu beeinträchtigen. Leider schwächt er seine klare architektonische Gliederung durch eine Fülle kleiner, an sich reizvoller Details. Die Richtung der staatlichen Baupfiege blieb im übrigen der besonnenen Erhaltung überlieferter Formen treu, was dem Einfügen in das Straßenbild nur förderlich war.
Berlins Straßen- und Platzanlagen waren schon seit der Zeit des Großen Kurfürsten nach künstlerischen Grundsätzen geschaffen und durch zwei Jahrhunderte erhalten und gefördert worden, bis die plötzliche Ausdehnung der Stadt nicht nur diese gute Überlieferung aufhob, sondern selbst die alten Denkmäler antastete. In den siebziger Jahren brach das Unheil herein, weil man der wilden, ungezügelten Privatarchitektur mit erzieherischen Mitteln nicht beikommen konnte. Ungestört konnten Kunstverwilderung und Unverständnis das künstlerische Erbe der Preußenkönige vergeuden. Mit Nichtigkeiten oder, wo es die Mittel erlaubten, auch mit prahlerischem Prunk und hohlem Schein wurden selbst die alten historischen Straßen und Plätze entstellt. Jener unselige Standpunkt, daß jeder ohne Rücksicht auf den anderen oder auf die Gesamtheit drauflos künsteln durste, hat in Berlin und in den Provinzstädten, besonders auch in Potsdam, vielfach die städtebauliche Entwicklung von Grund auf zerstört. So war die Lage, als durch die Berufung des Stadtbaurats Hoffmann (geb. 1852 in Darmstadt) auch die städtischen Bauten wieder neue künstlerische Werte wurden, hoffmann ist kein Stürmer und Dränger, aber er hat wie vielleicht kein zweiter lebender Baukünstler einen sicheren Blick für die Straßenwirkung und ein überaus feines Gefühl über die leisesten Schwingungen architektonischer Massen. Seine zahlreichen Schulbauten, sein Märkisches Museum mit