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der beiden Institute. Noch im Todesjahre des alten Königs, am 3. Dezember, eröfsnete Friedrich Wilhelm selbst unter außerordentlichem Zulauf des Publikums das neue Haus.
Jetzt verliert die Italienische Oper merklich den Boden. Die letzten zwanzig Jahre ihres Bestehens sind ein hoffnungsloser Todeskampf. Der Kontur ihrer Eigenart wird Strich für Strich verwischt; die beiden Institute müssen einander mehr und mehr mit Sängern, Tänzern und Nkaterial aushelfen, die Zusammensetzung des Personals erhält eine immer deutschere Färbung, und schließlich findet niemand etwas dabei, daß der Kapellmeister der Italienischen Gper — Reichardt — für das Nationaltbeater seine „Tlaudine von Villabella" schreibt. 1790 versuchte die italienische Partei mit dem Librettisten Filistri an der Spitze, noch einmal die italienische Herrschaft aufzurichten, aber es war vergebens. Der von ihr durchgesetzte Kapellmeister Alessandri spielte eine klägliche Rolle und konnte am Ende von seinen eigenen Anhängern nicht mehr gehalten werden. Zwar waren auch Reichardts Tage gezählt, doch mochte sein Nachfolger Righini, wenngleich Italiener von Geburt, in seiner Kunst fast als ein Deutscher passieren; der andere neue Kapellmeister war Himmel. Die bedeutendsten Sänger der Epoche sind die Deutschen Nladame Margarete Luise Schick/) die große Vortragskünstlerin, und der stimmgewaltige Bassist LudwigFischer.
In dieser Zeit machte das Nationaltheater außerordentliche Fortschritte. Die singenden Schauspieler mußten immer mehr geschulten Sängern Platz machen, so daß auch anspruchsvollere Bühnenwerke in den Spielplan ausgenommen werden konnten. Der Musikdirektor Bernhard Wessely setzte sich für Mozart ein, und sein Nachfolger Bernhard Anselm Weber wagte sogar Glucks „Iphigenie in Tauris" zu bringen. Damit hatte sich die Deutsche Oper von der Gesangsposse zum großen tragischen Musikdrama durchgekämpft und Berlin zur modernen Musikstadt. Die Gluck- aufführung des Jahres >?95 war eine entscheidende Tat. Als die Italienische Oper im nächsten Jahre endlich dem Beispiel der verachteten Schwester folgte und die „Alceste" aufführte, zeigte sich der gewaltige Abstand zwischen den beiden Instituten; die Italiener versagten vollkommen.
Die Italienische Oper überlebte das Anglücksjahr >806 nicht; als in ruhigeren Zeiten die Opernvorstellungen wieder ausgenommen wurden, zog die Deutsche Oper in das alte Opernhaus Friedrichs des Großen.
Die nun folgenden Jahre setzen die Traditionen des Nationaltheaters fort. Eine entschiedene Umwälzung führte >820 die Ernennung Gasparo Spontinis zum Generalmusikdirektor herbei.") Der bereits Hßjährige hatte eine äußerlich wie innerlich bewegte Laufbahn hinter sich. Nach wechselvollen Stationen in den hauptsächlichsten Opernzentren seines Vaterlands Italien hatte er die letzten s? Jahre in Paris zugebracht und dort seinen durch Piccini und Timarosa gebildeten Stil vertieft und ins pathetische gewandelt. In seinen Hauptwerken lebte die schlagende Dramatik, die edle Leidenschaft Glucks, aber in den äußeren Wirkungen gesteigert durch den theatralischen Pomp eines Romanen, der das wildbewegte Vierteljahrhundert der Revolution durchlebt hat.
h K. Levezoro, Leben und Kunst der Frau Margarete Luise Schick. Berlin >8vy.
h lv. Altmann, Sxontini an der Berliner Gper. Sammelbände der Internationalen < Musikgesellschaft IV, 2 -^.