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In seinem persönlichen Wesen selbst eine napoleonische Erscheinung mit dem autokra- tischen Gebühren des Imperators, mit dem heißen Blut und der Reizbarkeit des Italieners, paßte er schlecht genug in das laue Berlin der zwanziger und dreißiger Jahre. Anfangs freilich wirkte er mit dem Reiz des Fremdartigen. Der Wann, der dort mit der Würde des Feldherrn in unerschütterlicher Ruhe am Pult saß und mit einem Blitzen des Auges die Künstlerschar unter seinen eisernen Millen zwang, konnte einen starken Eindruck nicht verfehlen, und all die prächtigen Schaustellungen in seinen Opern, die feierlichen Opserhandlungen, die rauschenden Feste und glanzvollen Aufzüge, zu denen Schinkel wundervolle Dekorationen entwarf, fesselten das Publikum. Eine Zeitlang war Spontinische Musik so populär in Berlin, daß jedes Militärorchester zur Wachtparade Märsche oder Arrangements aus seinen Opern spielen mußte. Aus die Dauer war das Verhältnis indessen unhaltbar. Die Ursachen des Bruches lagen zunächst auf dem Gebiete persönlicher Eigenschaften und wurden durch die unklare Stellung Spontinis innerhalb der Beamtenhierarchie und die daraus erwachsenden Differenzen mit dem Intendanten Gras Brühl verschärft. Die Berliner, zum guten Teil unter dem Einfluß der Antiken Rellstabs in der Vossischen Zeitung, nahmen gegen Spontini Partei und entzogen ihm mehr und mehr ihre Gunst. Nach dem Tode Friedrich Wilhelms, der den Meister gehalten hatte, erfolgte die Katastrophe; l84s, bei Gelegenheit einer Don Iuan-Auf- sührung, kam es zur offenen Revolte und Spontini mußte Pult und Amt verlassen. Gebrochen zog er sich in die Heimat zurück und starb 1851 in seinem Geburtsort Majolati, ohne sich von dem Schlage erholt zu haben.
Die Spontiniepisode ist für Berlin nicht rühmlich. Die Mißstimmung über die großen und kleinen Schwächen des Meisters, über sein autokratisches Regiment und seine Unüberlegtheiten hätten verstummen müssen vor der Dankbarkeit gegenüber dem Großen, das er für Berlin getan hat. Der Zauber seiner überragenden Persönlichkeit, der bis in die entferntesten Winkel des Bühnenlebens strahlte, die straffe Disziplin, unter die namentlich das Orchester gezwungen wurde, stellten die Opernvorstellungen als Ganzes auf eine Stufe, die vordem unbekannt war. „Der wichtigste künstlerische Eindruck," schreibt Richard Wagner, „den ich außerdem dort erhielt, kam mir aus einer Aufführung des .Ferdinand Torte,p unter Spontinis eigener Leitung: der Geist derselben überraschte mich aus fast ungekannte Weise. Ließ mich auch die eigentliche Darstellung, namentlich in Betreff der Hauptpersonen, die sämtlich nicht mehr der Blüte der Berliner Oper angehörten, kalt, und kam es auch nie zu einer Wirkung, die sich nur annähernd derjenigen, welche die Schröder-Devrient auf mich gemacht hatte, vergleichen konnte, so war mir doch das außerordentlich präzise feurige und reich organisierte Ensemble des Ganzen durchaus neu. Ich gewann eine neue Ansicht von der eigentümlichen Würde großer theatralischer Vorstellung, welche in allen ihren Teilen durch scharfe Rhythmik zu einem eigentümlichen, unvergleichlichen Aunstgenre sich steigern konnten. Dieser sehr deutliche Eindruck lebte drastisch in mir fort, und hat mich bei der Konzeption meines ,Rienzll namentlich geleitet, so daß in künstlerischer Beziehung Berlin seine Spuren in meinen Entwicklungsgang eingrub."h
>) R. Wagner, Mein Leben. München lyn, Bd. I, S. isof.