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nischen und Vortragsschwierigkeiten in der musikalischen Komposition am Ende des 18. und Anfang des ly. Jahrhunderts, die mehr und mehr den Abstand zwischen den Dilettantenkapellen und den Berufsorchestern vergrößerten, bis jene überhaupt die Daseinsberechtigung einbüßten. Die andere, für Berlin wichtigere Ursache war die Gründung der Singakademie im Jahre 17Y1. Unter tüchtiger Leitung vermag der Liebhaber im Ehorgesang die höchsten künstlerischen Ziele zu erreichen, während er im Dilettantenorchester im günstigsten Falle ein gewisses brauchbares Durchschnittsmaß hält. Dazu kam, daß die rein kirchenmusikalischen Programme der Singakademie und ihr esoterischer, Zuhörer zumeist ausschließender Charakter, von vornherein eine Stufe künstlerischen Ernstes bedingte, die den Liebhaberkonzerten mit ihren zum Teil rein gesellschaftlichen Tendenzen und ihrem gemischten Publikum durchaus versagt blieb. Die Folge mußte sein, daß die guten Elemente der Berliner Dilettanten sich von den Liebhaberkonzerten abwendeten und Anschluß an die Singakademie suchten.
Keine der nachher gegründeten Liebhabervereinigungen vermochte irgendeine Bedeutung zu erlangen. Natürlich trat dieser Umschwung nicht plötzlich ein. Die Konzerte, die von 17Y1 ab in der „Stadt Paris" der ausgezeichnete Geiger Johann Braun, Konzertmeister der Königin, zusammen mit dem Musikredakteur und späteren dänischen Hofkapellmeister Friedrich Ludwig Amilius Kunzen, und seit 17Y3 mit dem Kammersänger Friedrich Franz Hurka und dem Klarinettisten Franz Tausch veranstaltete, waren sehr besucht. Aber all die Liebhabervererne, die im Hy. Jahrhundert gegründet worden sind, haben es zu einer nennenswerten Bedeutung für unser Musikleben nicht bringen können. Verhältnismäßig der wichtigste dieser Gruppe ist der Musikverein zur Übung von Instrumentalstücken, den der Bratschist und nachherige Königliche Kammermusiker Louis Touriard am y. Oktober 1806 stiftete, und der noch im Jahre 1832 bestand. Auch Zelter richtete im März 1807 ein ähnliches Institut als Ableger der Singakademie ein, das er „Ripienschule" nannte; hier übte er alle Freitag Mittag mit Liebhabern und Schülern, um ein Orchester zur Begleitung der singakademischen Aufführungen heranzubilden. Es geht daraus genugsam hervor, daß keiner der bestehenden Vereine ausreichte. Die Ripienschule hat sich bis in die Zeit von Zelters Nachfolger Rungenhagen, etwa bis zur Jahrhundertmitte, gehalten. Neben ihr taten zuerst Mitglieder der Königlichen Kapelle mit, seit 1827 aber eine im Vorjahre gegründete Vereinigung, die unter dem Namen „philharmonische Gesellschaft" und unter der Führung des Königlichen Kammermusikers und Violinisten in der Opernkapelle Eduard Rietz alle zwei Wochen im Täcilien- saale der Singakademie übte. Der Verein leistete anfangs Tüchtiges, verschlechterte sich aber, nachdem Rietz schon 1832 gestorben war, unter den späteren Dirigenten Karl Wilhelm Henning, Königlichem Kapellmeister, und seit 1836 Hubert Ries, Königlichem Konzertmeister, so daß schon in den fünfziger Jahren die Singakademie ihr Verhältnis zur Gesellschaft lösen mußte. Der Verein hielt sich bis 1872. Ebensowenig waren die Zeitumstände dem Orchesterverein „Euterpe" günstig, den der Direktor der gesamten Musikchöre des Gardekorps Wilhelm Wieprecht, der Erfinder der Baßtuba, 184-y gründete, und dessen sich die Singakademie ebenfalls einige Male bediente: schon nach vier oder fünf Jahren löste er sich wieder auf.