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Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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Einführung bedarf; als erster ließ er zu seinen Veranstaltungen Erläuterungen aus seiner Ader drucken, ganz wie heute unsere großen Konzertinstitute Programmbücher ausgeben. DieOonoerts spirituolZ" waren das älteste moderne Unternehmen im Sinne unserer Abonnementskonzerte; selbst Hilters Veranstaltungen in Leipzig können nicht diesen Anspruch erheben.

So stehen die Dinge um das Jahr 17 HO. Die Liebhaberkonzerte sind zurück­gegangen ; die Schul- und Kirchenchöre sinken immer tiefer; künstlerische Unternehmungen größeren und höheren Stils bleiben vereinzelt. Aber das Bedürfnis nach edler geist­licher Musik ist geweckt; hatte das öffentliche Leben keinen Raum für sie, so mußte ihr das Privathaus die Türen auftun.

Die Hausmusik hatte gerade in Berlin, tont Io inoucks eultlvs ln inusicpie", im 18. und bis ins sh. Jahrhundert hinein eine liebevolle Pflege gefunden. Bis zu einem gewissen Grade kann man die Zusammenkünfte derMusikausübenden Gesell­schaft" dazu rechnen, insofern sie in der Wohnung des Domorganisten stattfanden. Gleichzeitig ermöglichte das Aufblühen des Dilettantismus in seinem edelsten Sinne einen kräftigen Aufschwung des häuslichen Musiklebens. Zahlreiche Angehörige der höheren Stände, namentlich Juristen, versammelten in ihren Häufen, die Musikfreunde zu erlesenen künstlerischen Genüssen. Unter allen diesen ist der bedeutendste der Advokat Thristian Gottfried Krause gewesen, der als Komponist, Pianist, Geiger, Pauker und Theoretiker einen großen Ruf genoß; seinLustiger Schulmeister" über einen Text von Nikolai ist als erstes deutsches Singspiel von dem Mißerfolg Schönemanns im Jahre 17st2 abgesehen von der Schuchschen Gesellschaft um 1766 aufgeführt worden. Nach Umfang, Qualität und Wichtigkeit ragt das sogenannteFließische Konzert" hervor, in den, sich die Grenze zwischen Hausmusik und Liebbaberkonzert ver­wischt. Hier wurde nicht nur Vrchestermusik gemacht, sondern auch Oratorien und Singspiele vorgetragen; so gelangte hier GoethesErwin und Elmire" in der Kompo­sition Reichardts zur ersten Aufführung. Die Seele dieser Veranstaltung war neben dem Hausherrn Fließ und den Mitgliedern derJüdischen Kolonie" vor allen Bernhard Wessely, der Musikdirektor des Nationaltheaters, h Auch im Hause des Bankiers Itzig wurde Musikim reinsten, edelsten Sinn getrieben, Sebastian und Emanuel Lach mit einem Verständnis vorgetragen, wie sonst nirgends"^); der junge Reichardt erhielt hier tiefgehende Eindrücke. Am Beginne des lh- Jahrhunderts sind die entscheidenden Häuser die des begabten Faustkomponisten Fürst Anton Radziwi11, des Bankiers Abraham Mendelssochn, des Vaters von Felix und Fanny, und des Staatsrats v. 5taegen, ann, bei dem s827 WebersOberon" gespielt wurde, ehe ihn eine Bühne des Kontinents gebracht hatte. Aus späterer Zeit möge noch das Haus des Buchdruckers R. Decker und seiner Gattin pauline v. Schätze! genannt sein.

Auf diesem Boden erwuchs die Berliner Singakademie. Wie Reichardts un­freiwillige Muße als Kapellmeister dem Konzertleben und der geistlichen Musik zugutekam, so auch die des Kapellmeisters Karl Friedrich Thristian Fasch. Er, der

9 vgl. L. L. Gerber, Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler. Leipzig ,8,2, ll, ,48.

9 Reichardts Selbstbiographie.