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Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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Wie überall in Deutschland nach dem Vorbild der Berliner Singakademie ähnliche Vereinigungen entstanden, so regte sie auch in der Black zu zahlreichen verwandten Gründungen an. Die bedeutsamsten waren die s809 gegründete Steinbecksche Sing­akademie in Brandenburg, der PotsdamerVerein für klassische Musik", den 1,8 Blöding er und Wessely ins Leben riefen, und die Frankfurter Singakademie.

Es dauerte über ein halbes Jahrhundert, bis in Berlin neben der Singakademie ein gleichwertiger Chorverein erstand. 18^7 gründete der Musikdirektor Julius Stern den nach ihm benannten Verein, der es in zehn Jahren bereits von 17 auf über 500 Mitglieder brachte. Unter Sterns Nachfolgern Stockhausen, Bruch, Rudorfs und Gernsheim geriet er ebenfalls in akademische Bahnen, ohne doch eine geschichtliche Berechtigung dazu zu haben. Nach einer kurzen, modernen Ara Oskar Fried und Iwan Fröbe ist er Anfang Istl 1 eingegangen. Seit 1870 widmete sich daneben der Cäcilienverein unter Alexis Holländer der Aufführung neuer, zum Teil damals noch verpönter Wecke. Durch ihn wurden dasDeutsche Requiem" und dasSchicksalslied" von Brahms undChristus" und dieheilige Elisabeth" von Liszt in Berlin eingeführt. 1882 endlich rief der junge Siegfried Ochs einen kleinen Gesangverein ins Leben, der nach rascher Zunahme seit l888 den Namenphilharmonischer Thor" trägt. Auch er setzt sich unter der energischen Leitung seines Dirigenten rückhaltlos für die Zeitgenossen wie für die Alten ein. Der außer­ordentliche Wohlklang und Farbenreichtum dieses Vereins stellen ihn heute unbedingt an die Spitze der Berliner gemischten Chöre?) Mehr in der Stille wirkt der dem s6. und s7. Jahrhundert dienende, von Tarl Thiel geleitete Madrigalchor des Königlichen Akademischen Instituts für Kirchenmusik, dessen Vortrags- und Klangzauber breitere Kreise zu fesseln beginnt.

Wie Berlin mit der Singakademie den Anstoß zur Errichtung zahlloser Gesang­vereine gegeben hat, so geht auch von ihm das Männerchorwesen, wenigstens in Nord­deutschland, aus. In den Jahren, die der Erhebung des preußischen Volkes unmittelbar vorhergingen, reiste in Zelter der Gedanke, eine Tafelrunde gebildeter Männer in beschränkter Anzahl zu stiften, die allmonatlich sich zu edler musikalischer Geselligkeit und zur pflege vaterländischer Gesinnung zusammenfinden sollten. DieseLiedertafel" kam s80st als eine Abzweigung der Singakademie zustande. Jedes Mitglied mußte und muß noch heute gleichzeitig der Singakademie angehören, und ebenso ist Meister der jeweilige Direktor dieser Gesellschaft; erst in unserm Jahrhundert ist man von diesem Brauch abgegangen: statt Schumanns übernahm sstOs -er Domorganist Hermann Kawerau das Amt. Das Charakteristische der Zeltertafel ist die Vermeidung öffent­lichen Musizierens und die fast ausschließliche Benutzung von Dichtungen und Kompo­sitionen, die in ihrem Kreise entstanden sind; jeder Täfler muß Sänger, D ichter oder Tonsetzer sein. Von diesen Hauskomponisten hat einer wenigstens die Unsterblichkeit erlangt: der Augenarzt Friedrich Ferdinand Flemming, der Schöpfer von IickeZor vitas"ck)

Daß das Liedertafelwesen gerade von Berlin ausging, ist mehr als ein bloßer

0 R. Sternfeld, Lhronik des philharmonischen Lhors in Berlin. Berlin 1907.

-) H. Auhlo, Geschichte der Zelterschen Liedertafel von 1809 bis 19»9- Berlin 19»9-