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Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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er sich seine ganz außergewöhnliche Bildung erworben hat. Da sein Bistum meist noch von den heidnischen Slawen besetzt gehalten wurde, so mußte er außerhalb wohnen. Bei seinem Freunde, dem Erzbischof Norbert von Magdeburg, dem Stifter der Prämon- stratenser, pflegte er sich aufzuhalten. Seiner Gelehrsamkeit wegen wurde er mit zu den im 12. Jahrhundert neu aufgenommenen Verhandlungen zwischen der Papstkirche in Rom und der griechischen Kirche in Konstantinopel herangezogen. An einer Gesandtschaft dorthin nahm er teil und disputierte dabei gegen die Gelehrten der gegnerischen Kirche in lateinischer und in griechischer Sprache, womit er die größte Bewunderung erregte. Gr war von einem fast humanistischen Bildungseifer beseelt, und, wie Jahrhunderte später die italienischen Humanisten, so besuchte er in der Metropole der Byzantiner alle Klöster und Bibliotheken. Das von ihm in seiner Diözese gestiftete Kloster Zerichow sollte eine Bildungsstätte für Geistliche werden, und vielleicht hätte Anselm auch für die Mark Brandenburg einen bedeutenderen Einfluß auf die Bildung der Geistlichkeit gewonnen, wenn ihn seine politischen Geschäfte nicht allzu häufig außer Landes geführt hätten, und er nicht schließlich gar als Erzbischof von Ravenna der Heimat ganz verloren ging?)

Eigentümlicher noch war Leben und Schicksal des seltsamen Mannes, den Kaiser Karl IV. der höchsten Ehren würdig hielt: Dietrich Kagelwit aus Stendal, wenn man ihm auch noch kein Denkmal in derAllgemeinen Deutschen Biographie" gesetzt hat. Eines Tuchmachers Sohn, hatte er nur die Schule seiner Vaterstadt besucht und war später in Lehnin ins Kloster getreten. Aber als Autodidakt muß er sich eine weitergehende Bildung angeeignet haben. Er besaß vor allem ein ungewöhnliches ökonomisches Talent. Damit hatte er schon in seinem Kloster großen Nutzen gestiftet und die Aufmerksamkeit des Kaisers bei einem Klosterbesuche erregt. Als dessen ausgesprochener Günstling stieg er dann von Stufe zu Stufe und starb 1367 als Erzbischof von Magdeburg. Sein Wirken war jedoch rein praktisch, also ohne literarische Hinterlassenschaft.

Andere berühmt gewordene Geistliche (denn diese waren bekanntlich zunächst über­haupt die einzigen Gelehrten) gehören schon einer späteren Zeit an. Zn den Hand­schriftenbeständen der Berliner Bibliothek sowie der Dombibliothek zu Brandenburg befinden sich noch einige Merke brandenburgischer Bischöfe. Der Bischof von Lebus, Lhristoff von Rotenhan, Stephan Bodecker, der als dergelehrteste Bischof von Branden­burg" gerühmt wird, sowie Dietrich von Stechow, Nicol. Kletzke, Gerh. Fabri u. a. haben geistliche Schriften scholastischer Art hinterlassen, sämtlich dem letzten Jahrhundert des Mittelalters angehörig. Aus diesen Schriften erkennen wir, daß eine größere Anzahl brandenburgischer Geistlicher einstmals ihre juristisch-kanonistischen Studien, die seit zirka 1400 allgemeiner gefordert wurden, in Prag, Leipzig, auch Rostock, absolvierten; selbst in Bologna finden wir in den Studentenverzeichnissen derDeutschen Nation" eine kleine Anzahl Brandenburger Landeskinder. Diese vereinzelten Beweise, daß auch in dem noch, zu wenig kultivierten Boden der Mark wissenschaftliche Triebe gediehen, sind sparsam genug. Die Hauptwissenschaft des ausgehenden Mittelalters, die Scholastik, die theologisch-philosophische Spekulation, hat in unserer Mark keine Siege gefeiert.

Von den profanen Wissenschaften hatte diekeusche, objektiv blickende" Historiographie im geistlichen Stande die meisten Anhänger, und in dessen Reihen hat man auch die

0 Vgl. Lpieker, Kirchen- und Reformationsgeschichte der Mark Brandenburg. Berlin I8ZI.