hatte, übernahm er zunächst die Regierung selbst, obwohl er die neue Erwerbung seinen drei noch jungen Söhnen zu Lehen gegeben hatte. Wesentlich aus handelspolitischen Interessen, deren Wahrnehmung den staatsmännischen Blick des Kaisers auch hier erkennen läßt, — wenn seine Absicht einer engeren Verbindung mit dem Haupt der Hansa, Lübeck, auch nicht in Erfüllung ging —, wählte er Tangermünde an der Elbe zu seiner Residenzstadt. Hier hat er in den Jahren s373—1.377, freilich mit längeren Unterbrechungen, Hof gehalten. Der Hauch des weltgeschichtlichen Geschehens, der dadurch in die stille Stadt hineinwehte, mag in ihren Uiauern anregend genug verspürt worden sein, und die Menge von fremden Künstlern, die Karl dahin zog, brachten gewiß auch neue Bildungselemente mit. Auch das größere gesellschaftliche Treiben, welches mit der Hofhaltung verbunden war, kann nicht ohne Einfluß auf die Bürgerschaft ringsum geblieben sein?) Ja, es geht eine Erzählung, daß Karl ausdrücklich zur Herstellung einer feineren Geselligkeit eine Art Verein gestiftet habe, den einigermaßen rätselhaften „Rehagen", von dem altmärkische Thronisten erzählen. Und der Bürgermeister Kaspar Helmreich berichtet von einem „Bacchusfeste" 1377, wo der Kaiser ein festliches Gelage veranstaltet habe, an dem auch Frauen teilgenommen hätten. Dabei sei es einem Ehemanne gestattet gewesen, des anderen Frau zu küssen und sie in allen Ehren in sein Haus zu geleiten. Doch sei diese Sitte bei den folgenden Festen ausgeartet und deshalb von dem Rate der Stadt verboten worden. Wie für solche gesellschaftlichen Experimente, so war auch für die sonstigen neuen Bildungsquellen humanistischen Grundes der Märker noch nicht reif.
Und so war es nur ein aus der Fremde geliehenes Licht, das hier so ungewohnten Schein verbreitete; der Glanz war nach dem endgültigen Fernbleiben des Kaisers vorüber.
Allein — ebenfalls zur Zeit jenes Karls IV. wurde ein neues Herrschergeschlecht aus dem Süden im Lande Brandenburg heimisch, durch das die Verbindung mit fortgeschritteneren Gebieten des Reichs eine natürliche und dauernde wurde: Die Hohen- zollern. Diese haben von Anfang an gezeigt, daß sie die Macht einer gewissen Geistesbildung zu schätzen wußten und deshalb sowohl in ihren Familien höherer Bildung Eingang zu verschaffen suchten, als auch — was nicht weniger wichtig — gern hervorragende Geister als Paladine um ihren Thron versammelten.
Schon der erste Hohenzollernsproß, der mit Brandenburg in Verbindung kam, Friedrich I., war — man erkennt es auch ohne besondere Nachrichten — von mehr als durchschnittlicher Bildung unter seinen fürstlichen Standesgenossen. Obgleich die Iugend- geschichte der älteren hohenzollernschen Kurfürsten in neuerer Zeit eine ausführliche und quellenmäßige Darellung gefunden hat?) hat man erklärlicherweise über deren Bildung und Heranbildung doch nur selten ausreichende Kenntnisse. Aber nur durch außergewöhnliche Geistesgaben und überragende Bildung läßt sich der erhebliche Einfluß erklären, den der Hohenzollernburggraf sehr bald an der Politik des Reiches und am Hofe des Kaisers Sigesmund gewann.
') vgl. W. Zahn, Kaiser Karl IV. in Tangermünde. Festschrift l?oo.
2) G. Schuster u. Fr. Wagner, Die Jugend und Erziehung der Kurfürsten von Brandenburg (Llonurusnts. OerwLuiao kaeäsxvKien, Bd. 54). Berlin <go 6 . (keider steht zu diesem Werke zurzeit noch die Fortsetzung aus.) Diesem Werke ist vieles des zunächst Folgenden entnommen.