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Chronisten, daß der berühmte Kirchenfürst Dietrich von Bülow, Bischof von Lebus, schon anfangs sein Lehrer gewesen wäre. Die lateinische Grammatik, welche nach wahrscheinlicher Vermutung am fränkischen Hofe damals als Elementarlehrbuch verwendet wurde, war die neuerdings erst bekannt gewordene von Johannes Greußer aus Rothenburg a. d. T., die also weder aus Brandenburg noch aus Franken stammte. Dagegen ist ein interessanter Sammelkodex, von Prinzenlehrern auf der Kadolzburg bei Nürnberg (etwa —lVch zusammengetragen, vorhanden, der die Lehr- und Lesestoffe für die Schüler in bunter Reihe aneinandergefügt und einen Schluß gestattet, worin die hohen- zollernschen Prinzen damals unterwiesen worden sind, natürlich nach Maßgabe der damaligen Gepflogenheitm auf den Lateinschulen. Jene Grammatik gibt sich als eine moderne, humanistische aus, zeigt aber noch die ganze Schwerfälligkeit der mittelalterlichen Lehrbücher. Unter der lateinischen Lektüre finden wir Terenz, Sallust und andere alte Schriftsteller; ferner aber auch Belehrungen über Geschichte, Geographie, Jurisprudenz, Moral und Religion von neueren unbekannten Verfassern. Joachims Begierde nach tieferer Bildung, die sich noch in späteren Jahren in dem Verkehr mit dem berühmten Humanisten Tritheim und dem gelehrten Bischof Dietrich von Lebus offenbarte, seine aus feinen Briefen hervorgehende Beherrschung des lateinischen Stiles, seine Bekanntschaft mit der römischen Literatur — sie sind in jenen stillen Jugendjahren in Franken in seinem Geiste gepflanzt. Auch mit Mathematik und Astronomie, in der damals üblichen Gestalt der Astrologie, hat sich der Kurfürst Joachim I. schon frühzeitig beschäftigt: er berief s522 den zur Zeit berühmten süddeutschen Mathematiker und Historiker Tarion, dessen Weltchronik von Melanchthon seinen Vorlesungen an der Universität zugrunde gelegt wurde, als „Hofmechanikus" nach Berlin, wo er als Lehrer wirkte. So eröffnet Joachim I. die Reihe der Hohenzollernfürsten, die es verstanden, von außen her geistiges Leben nach der Mark zu verpflanzen.
Den größten Ruhm aber in der Bildungsgeschichte der Mark Brandenburg erwarb sich dieser Fürst durch die Vollendung der Gründung einer Landesuniversität zu Frankfurt a. d. V., über deren Geschicke und Bedeutung wir sogleich noch zu berichten haben werden.
Die Nähe einer Hochschule mit einer Anzahl namhafter Vertreter damaliger Wissenschaft machte sich schon bei der Erziehung des Sohnes Joachims I. vorteilhaft bemerkbar.
Es war in den letzten Jahrzehnten des s5. Jahrhunderts endlich auch in die Mark Brandenburg ein neuer Wind des Geistes, der Humanismus, eingeweht. Mit Eins beleuchtet die gegen früher veränderte Sachlage der Umstand, daß der Sohn Joachims I. nicht mehr an einem fremden Hofe, außerhalb des Erblandes, erzogen wurde, sondern daheim, in der väterlichen Residenz. Von dem echt ritterlichen Wescn am kurfürstlichen Hofe, das an verfeinerter Sitte und höfischer Vornehmheit den westlichen Landen Deutschlands kaum noch nachgab, gibt das große Turnier in Neu-Ruppin vom Jahre s5s2, als Kurprinz Joachim sieben Jahre alt war, einen Begriff, da wir davon eine schwungvolle Schilderung eines humanistischen Professors der Universität Frankfurt, in den lZolliea xroK/muasmata des Dublins ViKilautius ^.rbilla, besitzen. Eben dieser Frankfurter Philologe wurde auch zum Prinzenerzieher am kurfürstlichen Hofe erkoren, ohne jedoch diese Stellung antreten zu können. Wir werden ihm noch bei der