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Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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§22

woher solche Streitigkeiten gemeldet werden. Auf Betreiben der dortigen Geistlichen hatte der Bischof von Halberstadt, dem die Stadt unterstand, einem Wunsche des eine ältere Schule besitzenden Domstistes St. Nicolai nachgegeben, und die Auflösung der schon s2Z8 gestifteten Stadtschule bei St. Marien von der Stadtobrigkeit verlangt. Diese aber trotzte der geistlichen Autorität und wurde schließlich deshalb exkommuniziert; ja die ganze Stadt wurde mit dem Interdikt, der einschneidendsten der kirchlichen Strafen, belegt. Erst nach langem Streite wurde s342 durch Vermittlung des Landesherrn eine Einigung erzielt.

Die Gründung und die älteste Geschichte der in der Mark Brandenburg ge­gründeten Stadtschulen ist zumeist in Dunkel gehüllt, aber um das Jahr fHOO kennen wir doch schon eine ganze Anzahl von lange Zeit bestehenden städtischen Latein­schulen. Es sind die folgenden bekannt sin alphabetischer Reihenfolge der Orte aufgesührt): Brandenburg a. d. H.: Je eine Lateinschule in der Altstadt, und in der Neustadt (schon seit dem fZ. Jahrhundert), Eölln a. d. Spree: Lateinschule bei St. Petri, Eottbus, Erossen, Guben, Königsberg i. d. Neumark, Luckau i. d. Nieder-Lausitz, Lübben, Neu-Ruppin (gegründet s360), Perleberg, prenzlau, Sorau, Spandau (die sogenannte Große Schule"). Noch viel weniger ist uns von den niederen Schulen, den sogenannten deutschen Schulen bekannt, die auch z. T. als städtische Anstalten auftauchen.

Nicht vergessen aber werden darf, wenn man das Schulwesen dieser Zeit zu übersehen sich bemüht, daß es jederzeit außer den sozusagen offiziellen kirchlichen oder städtischen Schulanstalten noch eine nicht geringe Zahl von privatschulen ge­geben hat, die alswinkelschulen",Schreibschulen",Klippschulen" oder unter ähn­lichen Namen, oft angefeindet und verfolgt von den privilegierten Schulhaltern, den Geistlichen, in den niederen Schichten des Volkes eine bescheidene Bildung verbreiteten. Auch die Mark entbehrte solcher primitiver Anstalten schon im Mittelalter nicht?) Und ihre Existenz schon bezeugt das vorhandene Bedürfnis nach den notwendigsten Kennt­nissen für das praktische Leben und zugleich für Unterhaltung und Erbauung: Lesen, Schreiben, Rechnen.

So war das mittelalterliche Schulwesen in allen seinen Zweigen im Bezirke der Mark Brandenburg vertreten, und nicht allzusehr stand wenigstens das städtische hinter den westlichen deutschen Provinzen.zurück. Nur die Spitze des gesamten Bildungs­wesens, die Universität, war in Brandenburg noch nicht erstanden, als das Jahr­hundert der neuen Zeit über die Schwelle ging. Aber die ersten Jahre desselben sahen auch diese geistige Blüte im Herzen der Mark aufbrechen.

Schon seit anderthalb Jahrhundert waren in ziemlich rascher Folge nach dem Muster des Auslandes in Deutschland Universitäten entstanden, Prag an deren Spitze, zuletzt noch im s5. Jahrhundert Tübingen und Mainz, endlich s502 die Geburts- stätte des Luthertums, Wittenberg; und damit hatte an der wende des Jahrhunderts fast jede deutsche Landschaft und jedes größere deutsche Staatswesen eine eigene Hohe Schule, mit Ausnahme der Mark, verständlich durchaus ist da der Wunsch,- der um diese Zeit herrschenden'brandenburgischen Kurfürsten, auch in ihren Landen einen Mittel-

') Fr. lvienecke, Die Begründung der evangel. Volksschule in der Kurmark ... I5H0

(Z. f. Gesch. der Erziehung und des Unterrichts ZIzz.)