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Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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man offenbar nur auf eine Entscheidung von oben gewartet hatte. Joachim I. aber ist bis zum Tode ein fast leidenschaftlicher Parteigänger der päpstlichen Kirche geblieben, und mit größter Strenge, ja nicht ohne Grausamkeit wurde unter ihm gegen alle Äußerungen lutherischer Gesinnung vorgegangen.

Aber alle Energie konnte die wachsende Hinneigung des Volkes zur neuen Lehre nicht unterdrücken, und es hat etwas Tragisches, daß Joachim I. in seiner eigenen Familie die Macht religiöser Überzeugung erfahren mußte. Die Kurfürstin Elisabeth, eine geborene dänische Prinzessin, und zugleich Nichte des Kurfürsten Friedrichs des Weisen von Sachsen, des Beschützers Luthers, nahm den neuen Glauben an und wendete all ihren Einfluß auf, auch ihre Kinder zu demselben zu bekehren. Vor dem erklärlichen Zorne ihres Gemahls mußte sie zu ihren sächsischen Verwandten fliehen und ist erst viele Jahre nach dem Siege der Reformation in der Mark dahin zurück­gekehrt. Dennoch ist ihr Einfluß auf ihren Erstgeborenen, den nachmaligen Kurfürsten Joachim II., nicht zu verkennen. Schon im Jünglingsalter hat dieser sich zum neuen Glauben bekannt. Aber er war eine durchaus politische Natur, wie sein Vater, und so fand er es geraten, seine persönliche Überzeugung so lange zurückzudrängen, bis das Wohl des Landes den Übergang zur Reformation zu fordern schien. Erst am I . No­vember süöst vollzog er unter dem Bischof Matthias von Jagow in aller Stille im Gegensatz zu seiner sonstigen Prunkliebe den Übertritt zum Protestantismus, so still, daß die Geschichtsforschung noch heute in Kontroversen steht, wo dieser formelle Übertritt eigentlich geschehen sei.

Bis dahin galt die Mark Brandenburg in Deutschland nach den Nunziatur- berichten als die Hochburg des Katholizismus?) Es ist somit nicht zu verwundern, daß die Folgen einer neuen Geistesrichtung verhältnismäßig spät sich hier ein­stellten und Brandenburg erst spät die geistige Führung im protestantischen Deutschland übernehmen konnte. Wohl aber mußte dieses Gebiet die später auftretenden Einseitig­keiten der lutherischen Theologie in vollem Maße empfinden.

Indes, der fördernde Einfluß der Kirchenreform und besonders des Reformators selbst auf Bildungs- und Erziehungsbestrebungen ist auch hier augenscheinlich. Wurzelt dochdas Postulat eines allgemeinen Volksunterrichts und eines moralischen Schul­zwanges unmittelbar in den Fundamentalsätzen der Reformation", und Luthers Schrift von f52H,An die Bürgermeister und Ratshecren allerlei Städte in deutschen Landen, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen", ist das berühmteste Denkmal davon. Natürlich konnte diese Einwirkung der Reformation auf Schul- und Univer- sitätswesen in Brandenburg erst nach ihrer offiziellen Anerkennung stattflnden. Gerade dieses deutsche Land bedurfte besonders einer Neubelebung des Unterrichtswesens. Zwar war das städtische Schulwesen zu einer gewissen Blüte gediehen, aber es war noch der einzige deutsche Staatsbezirk, in dem nicht jede größere Stadt eine ansehnliche Kommunalschule aufweisen konnte. Und mehr noch als überall sonst war hier ein allgemeiner Verfall der Schulen schon am Ende der mittelalterlichen Zeiten eingetreten. Ja, durch die Umstände, man muß geradezu sagen: infolge seiner geographischen Lage wirkte die Reformation im Brandenburgischen viel mehr schädigend für die Bildungs-

') Steinmüller, Einführung der Reformation in die Rurmark Brandenburg. Halle >Y02.