428
anstalten als anderwärts. Und schädigend in der Tat war diese Wirkung im Anfänge unbestreitbar, trotz der so bildungsfreundlichen inneren Tendenz der ganzen Bewegung. Treffend kennzeichnet Paulsen diese seltsame Erscheinung: „Es schien der Prozeß der Neugestaltung des Bildungswesens in die Phase einer Penetration paeiücsns der alten schulen und Universitäten durch den Humanismus eingetreten zu sein. Da zog plötzlich wie eine Wetterwolke die Kirchenrevolution an dem so heiter strahlenden Himmel herauf. In kurzer Zeit hatte sie das deutsche Volk von den ästhetisch-literarischen Dingen zu den großen religiösen und kirchlich-politischen Fragen hingerissen ... Die erste Wirkung der Reformation auf das Bildungswesen war niederschmetternd, . . . der Umsturz der Kirche riß das alte Schul- und Universitätswesen, das mit ihr so innig verknüpft war, mit in den Ruin hinein; schon das Wegfallen der Aussicht auf Versorgung in einer kirchlichen Stellung mußte von dem Universitäts- und Schulbesuch ab- schrecken. Dann kam der Bauernkrieg. 5o führte das Jahrzehnt 1525—1535 zu einer Depression des Studienwesens, wie sie ohnegleichen in seiner Geschichte ist," . . . und einer der größten aller Humanisten, Erasmus, rief klagend aus: „Wo das Luthertum herrscht, da gehen die schönen Wissenschaften zugrunde/") Die märkischen Länder waren, wie gesagt, in einer besonders üblen Lage. An der Ostgrenze des damaligen Deutschlands gelegen, konnten sie vom Osten her Bildungseinslüsse weder erfahren noch dahin ausüben, der benachbarte Westen und Süden aber war gerade der Herd jener Airchenrevolution, der sich der brandenburgische Herrscher zunächst mit Festigkeit entgegenstemmte. Von dort gingen die Fäden aus, die alle geistigen Interessen auf einige Zeit so energisch in den kirchlichen Streit zogen; von hier aus wurden die Reste von Bildungsbeflissenheit aufgesogen: Wittenberg wurde der geistige Magnet der Zeit, dem ein Frankfurt nicht zu widerstehen vermochte. Noch aber wollte sich das geistige Schicksal im Brandenburgischen nicht entscheiden: Anschluß an die Reformation oder andauemdes Festhalten am Alten. So konnte weder das gute Alte sich bewahren, noch das Neue sich schnelle Bahn brechen. Erst das Jahr s539 brach die Starrheit ungewisser Erwartung.
Kurze Zeit danach erhielt Brandenburg unter Beihilfe des großen Draeeeptor Oermaniae, Melanchthons, seine erste protestantische Kirchenordnung, die, wenigstens prinzipiell, sich auch des Schulwesens annahm, das in diesen rückständigen Landen noch kaum irgendwo den Impuls des Humanismus ernstlich erfahren hatte, wie Süddeutschland es längst erlebte. Es war nur eine schwächliche Frucht, welche Luthers mahnende Worte hervorgebracht hatten, wenn diese märkische Kirchenordnung von s539 ziemlich matt und allgemein gehalten sagt: „Dieweil auch zur Erhaltung christlicher Religion und guter Polizei auf höchst von Nöten, daß die Jugend in den Schulen unterweiset werde, und die Schulen etliche Zeit her in merklichen Abfall kommen, wollen wir, daß die in allen Städten und Märkten wiederum angericht, reformiert, gebessert und notdürftig versehen und erhalten werden?) Und es wurde mit solcher Bestimmung ebenso wenig erreicht, wie mit früheren schulempfehlenden Dekreten von Päpsten und Bischöfen. Auch die sich an jene Schulordnung anschließende
9 Fr. Pa ul seil, Das deutsche Bildungswesen in seiner geschichtlichen Entwicklung, S. 22 . Sext. ;gos.
9 R. Vormbaum, Lvang. Schulordnungen vom zs., u. l8. )h. Gütersloh rssoff.