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Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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Weisheit. Ein Frankfurter Mediziner humanistischer Abart, Heinrich Kobalt, schuf die erste Berührung mit der griechischen Medizin des hippokrates, den er in Übersetzung be­kannt machte, und so zeigte sich auch hier ein segensreicher Einfluß der Kenntnis des Altertums und des Humanismus.

In der medizinischen Wissenschaft, als einer rein erfahrungsmäßigen, ist von jeher die Wechselbeziehung zwischen Theorie und Praxis besonders rege gewesen, und die Männer der Wissenschaft waren immer zugleich auch die ersten Männer der Praxis; die Pro­fessoren waren hervorragende Arzte, und Arzte von Ruf wurden Inhaber von Lehr­stühlen. So fanden wir unter den medizinischen Professoren von Frankfurt des öfteren die Hof- und Leibärzte der brandenburgischen Kurfürsten oder anderer Fürsten und Adligen. Man erinnert sich jenes Simon pistoris, des Leibarztes des Kurfürsten Ioh. Ticero, der den Anstoß zur Gründung der Universität Frankfurt gegeben haben soll. Der erste offizielle Vertreter der Medizin daselbst, Eberhard Guttenberger, war zugleich Stadtphysikus in Frankfurt und Leibarzt Joachims I. Auch sein Nachfolger war ein Frankfurter; sonst aber kamen die meisten bekannt gewordenen Männer von auswärts.

Zu den Gelehrten, die ihre Bildung der heimischen Hochschule verdankten, gehörte der Mediziner Heinrich Eggeling aus Braunschweig, der 1513 nach Frankfurt kam und dort Professor wurde. Er hat in der Geschichte der Medizin in Brandenburg insofern eine besondere Stellung zu beanspruchen, als er es war, der im Jahre s542 an einer Leiche die erste öffentliche Sektion in Frankfurt vornahm. Damit war der Übergang der Medizin von abstrakter Naturphilosophie, vermischt mit astrologischem Wunderglauben, zu erfahrungsmäßiger Behandlung und fachmännischer Beobachtung gekennzeichnet. Es verdient aber erwähnt zu werden, daß diese Sektion auf ausdrücklichen Befehl des Kurfürsten Joachims II. geschah. Aber auch dieser Mediziner stand noch in engster Verbindung mit Theologie und Philosophie; er starb als Kanonikus in Halberstadt. Sein Kollege Iodocus Wilcke (Willichus) aus Rössel war sogar mehr Humanist als Mediziner. Er kam geradezu erst vom Griechischen aus zum Medizinstudium. Die damaligen Mediziner teilten sich in Anhänger der griechisch-römischen und solche der arabischen Medizin, deren Hauptvertreter Avicenna ist. Durch das Studium des hippo- krates und des Galenus vom sprachlich-humanistischen Standpunkte aus wurde Wilcke zu einem Hauptkämpfer gegen dieArabisten". Auch er wurde als Arzt an den Berliner Hof Joachims II. getufen.

Die Hauptfakultät für die Universitäten war und blieb aber die artistische, aus der sich die jetzige sogenannte philosophische entwickelt hat. Obgleich nur vorbereitende Studien umfassend,pulsierte in ihr das akademische Leben am vollsten"; sie allein konnte auch maßgebend für die Frequenz und Entwicklung einer Universität werden, denn in der Regel war sie das Durchgangsgebiet für alle Studierenden, die sie durch­laufen haben mußten, ehe sie zu den höheren Fakultäten und deren Graden auffteigen durften. Je mehr aber in diesen höheren Fakultäten die rein mittelalterliche Forschungs­weise, welche synthetisch aus gegebenen Autoritätssätzen mit dialektischen Operationen Folgerungen ableitete, zurücktrat, um so mehr wurde auch der Durchgang durch die Artistenfakultät überflüssig.

Die Zeit der alten Scholastik war bereits vorüber, als die Frankfurter Universität