— —
lässiger Kampf. Es mag sein, daß das wesentlich mit an den Verhältnissen lag, aber der Gegenwart erscheint er dennoch als ein hervorragend streitbarer Theologe und als solcher wenig verehrungswürdig. Es ist für uns unmöglich, die vielfachen Fehden auch nur zu erwähnen, die er — immer, siegreich — auszufechten wußte. Der Sieg des strengen Luthertums in der Mark ist mit seinem Namen vielleicht noch mehr als mit dem Agricolas verknüpft. Bekannt ist er ferner auch als heftiger Eiferer gegen Unsitten der Ulode, die er vor allem in seiner Schrift „Wider den Hosenteufel" H555) geißelte, d. h. gegen die von den Landsknechten übernommene Mode der geschlitzten Pluderhosen. Ähnlich volkstümliche Sittenpredigten sind seine Schriften „Vom Gotslestern", „Der Fluchteufel", „Der Eheteufel". Er schilt auch den Wucher und den Geiz und sucht überall des Teufels verderbliches Trachten im Treiben der Menschen zu erkennen. Natürlich, daß er mit seiner derben Art von Strafpredigten sich auch Feinde machte, aber seine Ehrlichkeit im Glauben und Reden leidet keinen Zweifel.
Wenn wir noch des schottischen gleichfalls beständig in Streitigkeiten verwickelten Theologen Alexander Alesius gedenken, der als landflüchtiger Anhänger der Reformation vom Kurfürsten Joachim II. im Jahre 1540 an die Frankfurter Universität gerufen wurde, die er aber, nach seinem ehrenvollen Auftreten gegen die dort herrschende Prostitution in öffentlichen Häusern mit dem Magistrat der Stadt verfeindet, bald wieder verlassen mußte, so haben wir die bedeutendsten Kämpen der Reformation in der Mark erwähnt. Nach einem unsteten, glücklosen Wanderleben starb Alesius 056.5 als Professor in Leipzig.
Der vorläufig unbestrittene Sieg des strengen Luthertums über alle abweichenden Meinungen unter Musculus' Führung brachte aber noch lange nicht den Frieden für die protestantische Welt Deutschlands, denn nach dem innersten häuslichen Streit der Lutheraner unter sich, wandten deren eifrige Geistlichen sich mit verdoppelter Heftigkeit gegen die Reformierten. Und was von diesen Kämpfen nicht selbst innerhalb der brandenburgischen Grenzen entstand, das wurde nur zu leicht von außen her über diese hineingetragen, vor allem aus Königsberg, dessen Hochschule den Ruhm der lutherischsten Universität in Preußen erlangt hatte.
Die fortgesetzten theologischen Streitigkeiten aber mußten allmählich zu einer Reaktion führen, und die Überspannung der spezifisch lutherischen Glaubensdogmen, Gnadenwahl und Rechtfertigung durch den Glauben sowie der lutherischen Auslegung der Abendmahlslehre empfahl schließlich selbst die Auffassung der Reformierten den streitmüden Gläubigen. Wenn das ft572 erschienene „6orpus ckootrinae Urancksn- lmrKionm noch Luthers Wort hervorhebt, daß er Zwingli mit aller seiner Lehre für einen Unchristen halte", wenn in dieser Zeit die Konkordienformel zwangsweise im Lande eingeführt wurde, wenn alle kalvinistischen Bücher verboten wurden, und von den Geistlichen einwandfreie lutherische Orthodoxie verlangt wurde, so trat doch schon unter Joachim Friedrich H5H8—1608) eine Änderung ein. Im Interesse des gesamten protestantischen Deutschlands schuf er freundliche Verhältnisse zu den süddeutschen Protestanten, mit Kurpsalz und Nassau, welche der kalvinistischen Lehre zugetan waren. Johann Sigismund aber, obgleich er unter dem halleschen Hofprediger Simon Gedicke, nachmals Domprobst in Berlin, einem der streitbarsten Lutheraner, erzogen