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worden war, zeigte bald kalvinistische Neigungen, nachdem er in Straßburg und Heidelberg studiert und mit dem Pfalzgrafen daselbst enge Freundschaft geschlossen hatte. Heidelberg befand sich in einer Blütezeit der Wissenschaft und der feinen Sitte, und der an das Massive der märkischen Lutheraner gewöhnte Fürst wurde daselbst zu einem entschiedenen Gegner der Konkordienformel. jedoch zögert er erst noch, mit seinem neuen Standpunkt öffentlich hervorzutreten. Denn die Berliner lutherische Geistlichkeit machte bei den ersten Anzeichen desselben erhebliche Schwierigkeiten. Und ähnlich wie seinem Urgroßvater, Joachim II., erstand ihm in seiner Gemahlin selbst, der Herzogin Anna von Preußen, eine energische Gegnerin. Der damalige oberste Geistliche der Mark, Generalsuperintendent Thristoph pelargus, zugleich Professor der Theologie zu Frankfurt a. d. G., hatte eine schwere Stellung, als die Landstände ihn aufforderten, von Amts wegen gegen den Landesherrn einzuschreiten, denn er selbst, nicht von unbeugsamem Tharakter, war im stillen Philippist. Als jedoch der Kurfürst in das Branden- burgische heimkehrte und man ihn vor die Entscheidung stellte, ob lutherisch oder „kalvinistisch", da folgte er seiner persönlichen Überzeugung und hielt am Weihnachtstage s6sZ mit geladenen Teilnehmern in der Domkirche zu Tölln a. d. Spree eiue Abend- mahlsseier nach reformiertem Ritus. Das war zugleich wieder ein wichtiger Schritt in der Geschichte der Gedankenfreiheit im Brandenburgisch-Preußischen Staate. Wie sein Urgroßvater Joachim II. einst seinen Übertritt vom Katholizismus zum Protestantismus seinen katholischen Untertanen schmackhafter zu machen suchte, indem er jeden Zwang ihnen gegenüber von sich wies, so erklärte jetzt Johann Sigismund, er beanspruche keinerlei Herrschaft über die Gewissen seiner Untertanen, aber ebensowenig dürften diese ihm selbst seinen Glauben vorschreiben?) Er betrachtete seinen Konfessionswechsel lediglich als einen privaten Akt. Indes die Privathandlungen eines Fürsten haben jederzeit auch öffentliche Bedeutung, und die verkündete kirchliche Freiheit war damals so wenig eine unumschränkte, wie es heute eine solche gibt. Segensreich war das Verbot alles Scheltens und Verdammens Andersgläubiger von den Kanzeln herab und die Verpflichtung der Geistlichen nur auf die „vier Hauptsymbole der christlichen Kirche", unter Verbot aller darüber hinausgehenden lutherischen Satzungen, womit vor allem die Konkordienformel stillschweigend ausgeschieden wurde. Aber dennoch hat der Fürst dem Wunsche, sein ganzes Land der eigenen Konfession zuzuführen, nicht widerstehen können, und es hat nicht an ihm gelegen, wenn es ihm nicht völlig geglückt ist. Bei des Kurfürsten Vorgehen zur Einführung des reformierten Bekenntnisses war der gleichfalls reformierte Kanzler Bruckmann lpruckmann) sein eifriger Diener und sein Bruder, Mackgraf Johann Georg, ein eifriger Berater. Reformierte Geistliche wurden an Stellen von Lutheranern eingeschoben, die Fürstenschule in Ioachimsthal und die theologische Fakultät der Frankfurter Universität wurden von Anhängern der Konkordienformel gesäubert. Die Haltung des Volkes aber veranlaßte den Kurfürsten, die meisten seiner konfessionellen Maßregeln allmählich wieder zurückzunehmen. Fast die gesamte Bevölkerung blieb lutherisch, „der Fürst blieb mit seinem Bekenntniswechsel so ziemlich allein"; nichts zeugte bald in seiner nächsten Umgebung von dieser zweiten brandenburgischen „Reformation", als daß die Töllnische Domkirche seitdem reformiert geblieben ist.
') G. Aawerau, I. Sigismund (in Herzogs Realenzyklopädie).