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sollte eine allgemeine Schulordnung ausgegeben werden, nachdem schon seit Anbeginn der Regierung des Fürsten dazu allerhand Pläne geschmiedet worden waren. Sein Gehilfe bei diesen Plänen war Johann Raue, der erste namhafte Pädagoge und Erziehungstheoretiker, den die Mark hervorgebracht hat. Er war 1610 in Berlin geboren, hatte daselbst das „Graue Kloster" besucht und sodann in Wittenberg studiert. Durch ihn kamen auch die modernen pädagogischen Ideale, wie sie Ratke und Eomenius verkündet hatten, sowie die praktischen Erfahrungen, wie sie vor allem in Gotha gemacht worden waren, in das noch rückständige Schulwesen des Brandenburgischen Staates. Das Anschauungsprinzip im ersten Unterricht, der zeitliche Vorrang von sachlichen Kenntnissen vor den Worten, die des klaren Inhalts entbehrten, die Erstrebung praktischer Kenntnisse für die Kinder des Volkes und die Anwärter der werktätigen Berufe: das waren seine Lehren wie die jener berühmteren Vorgänger. Die erste grundsätzliche Wertschätzung der Realien im Unterrichte begegnet uns hier und bald darauf auch tatsächlich im brandenburgischen Schulbetrieb.
Nachdem Raue in Rostock wie in Dänemark kürzere Zeit Lehrstühle innegehabt, widmete er sich gänzlich der Ausbreitung seiner pädagogischen Ideen. Aber vergeblich suchte er sowohl in Pommern als auch in Sachsen denselben Eingang zu verschaffen, bis er dem Großen Kurfürsten empfohlen wurde. Er verlangte in einer Darlegung an den Kurfürsten von s654 als einer der ersten in Deutschland die völlige Trennung von Kirche und Schule und eine selbständige, weltliche Schulaufsichtsbehörde, an deren Spitze ein Generalinspektor stehen solle. Durchaus zentralisierend war der Plan dieser generellen Schulaufsicht gedacht, die sich selbst auf die zu verwendenden Schulbücher zu erstrecken habe.
Dieses Amt eines höchsten Schulinspektors erhielt Raue selbst und wurde zugleich Professor am Joachimsthalschen Gymnasium. Aber seine Pläne scheiterten an dem Konservatismus der brandenburgischen Landstände, die keine Gelder bewilligten, sowie am Widerstande von Schulmännern und Geistlichen, die den Neuerungen mißtrauisch gegenüberstanden. Von einer tatsächlichen Schulreformierung ist nichts geschehen. Zur Entschädigung versetzte man den pädagogischen Stürmer, für dessen Gedanken die Zeit noch lange nicht gekommen war, an die Kurfürstliche Bibliothek in Berlin. In diesem Amte ist er I 67H gestorben.
Des Kurfürsten praktischer Sinn ließ bald ab von dem großen, aber undurchführbaren Projekt Raues und betätigte sich lieber in tatsächlichen Unterstützungen der Schulen im einzelnen. Innerhalb Brandenburgs hatte das Joachimsthalsche Gymnasium vor allem davon den Vorteil. Diese schicksalsvolle Anstalt war, wie wir gehört hatten, völlig zerstört worden. Der einzige Rest der Schule war in einem Unterricht erhalten geblieben, den der nach Berlin entflohene Subrektor Baptista Nkartinus dort noch aufrecht- erhielt, bis sie im Kurfürstlichen Schlosse eine Wiedergeburt erfuhr. Ihr erster Rektor nach der Neugründung wurde der Dithmarse Vorst, ein tüchtiger Philologe. Beide Berliner gelehrte Schulen aber spürten in sich noch keinen Beruf, die neueren pädagogischen Bestrebungen aufzunehmen, sondern „verharrten auf der Bahn alter scholastisch-sprachlichtheologischer Vorbildung".
Der Monarch aber tat seinerseits das Mögliche, um trotz der schlechten Finanzlage des arg gebrandschatzten Staates die höheren Schulen einigermaßen auszustatten. 5o