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wärts z. B. in Anhalt, in Schlesien usw., auskamen, Wurzel geschlagen. Der Rektor Bödiker der Schule zu Cölln arbeitete damals seine „Grundsätze der deutschen Sprache" aus, die s6siO erschienen sind, und die bis zum Erscheinen von Adelungs Sprachlehre das beste ähnliche Werk waren. Überall regte sich jetzt unter dem kraftvollen Schutze des Kurfürsten wissenschaftliches Leben?) jDropst Müller in Berlin erregte Aufsehen durch seine ungewöhnlichen Kenntnisse der chinesischen Sprache und Kultur, und der Fürst ließ für ihn wertvolle Manuskripte aufkaufen. Die kurfürstlichen Leibärzte Clever, Weiße, Bonnet, Mentzel u. a. waren des Kurfürsten wissenschaftliche Berater. Mentzel, aus Fürstenwalde stammend, hat auch auf Befehl des Fürsten aus Hamburg den chinesischen Tee eingeführt, wie dieser Arzt geradezu als ein Borläufer Linnäs in der Botanik anzusehen ist, dessen Koxioon pluntnrnm poIvZlottum großes Ansehen genoß.
Besonders war die Medizin die vom Kurfürsten bevorzugte Wissenschaft. Im Jahre 1685 stiftete er durch den Leibarzt Gahrliep von der Mühlen das OolIsKinm mollionin in Berlin, aus dem die Operateure der Chirurgie, besonders für die Tätigkeit im Kriege, ihre Vorbereitung finden sollten. Auch den Buchhandel suchte der Kurfürst zu fördern. Das von ihm schon 16^8 erteilte Privileg des Buchhandels erhielt der bekannte Rupert Völcker, der als der erste bedeutende Verleger des Brandenburgischen Staates zu nennen ist, und der dann auch den Frankfurter Buchhandel in seine Hand bekam, nachdem dort von drei Handlungen zwei eingegangen waren. Noch aber ermangelte es für kräftigeren Aufschwung der nötigen Freiheit, denn jedes Buch mußte erst dem geistlichen Konsistorium zur Begutachtung vorgelegt werden. Auch die Anfänge des Zeitungswesens finden sich zur Zeit des Großen Kurfürsten, und außer mehreren geschriebenen Zeitungen, die nur für den Hof und seine nächste Umgebung bestimmt waren, erschien auch eine gedruckte, wenn schon sehr unregelmäßig.
Bei diesem Sinn des Fürsten für das Buchwesen mußte der Mangel einer größeren Bibliothek im Staate bald empfunden werden. In der Tat ist der Große Kurfürst der Begründer der großen Berliner Königlichen Bibliothek. Bei seinem Regierungsantritt war nur ein geringer Büchervorrat im Schlosse; es genügte ein kleines Dachzimmer zu dessen Aufbewahrung. Aber seit t 64h begann eine systematische Sammeltätigkeit ; 1661 mußten unter dem Bibliothekar Ioh. Raue zur Aufstellung der Bücherschätze ein Saal und einige Zimmer ausgeräumt werden; 1665 ließ sich das Bedürfnis eines Bücherkataloges schon nicht mehr abweisen, den zuerst die Bibliothekare Gebrüder hendreich herstellten; und im Jahre 1687 zählte man in dieser jungen, schnell sich entwickelnden Bibliothek schon 6f8 Handschriften und 20 600 gedruckte Bücher?)
Während für die alten Lateinschulen wie für die Volksschulen der große Regent nicht allzuviel getan hat, hing mit der Entwicklung des absolutistischen Staates, mit der Ausbreitung seines Beamtentums das Bestreben zusammen, für den geborenen Offiziersstand, den Adel, und die militärischen Beamten des Staates neue Bildungsstätten zu schaffen, ein Streben, das sich mit dem Eindringen der realistischen Stoffe und der praktischen Tendenzen der Schulreformer verband. So entstanden, wie in Frankreich, auch in Deutschland eine Anzahl Anstalten zur militärisch-politischen Ausbildung, speziell
0 vgl. L. v. Vrlich, a. a. V.
2 ) Fr. Vilken, Geschichte der Königlichen Bibliothek zu Berlin. 1828.