höhere, über die nächsten Bedürfnisse des Lebens hinausgehende Streben fand jetzt, wo die äußere Not nicht mehr so arg drückte, leichter Verständnis und Nacheiferung. Auf solcher Grundlage des Volksbewußtseins bauten .sich nun denkwürdige Fortschritte auf verschiedenen Gebieten unter dem neuen Kerrscher auf.
Gleichmäßig regte sich überall in und um Deutschland mehr und mehr die Wissenschaft, und ins Ungemessene stieg die Achtung vor ihr, indem man ihr eigentlich alles zutraute. Die Verbesserung des Menschengeschlechtes und der Zustände desselben mußte von ihr ausgehen und wurden von ihr erwartet; mannigfache pädagogische Bestrebungen entsprangen diesem Gedanken. Durch Vereinigung der ersten Geister der Wissenschaft in Gesellschaften und Akademien hoffte man Verbesserungen auf allen Gebieten. Wie der so kühl urteilende Große Kurfürst sich durch den unausführbaren plan einer Universaluniversität hatte blenden lassen, so fand ein neuer, ähnlicher, weniger universeller, doch immerhin großer Gedanke nunmehr seine Ausführung: der Gedanke einer branden- burgischen Akademie. Trotz der Verschiedenheit beider Entwürfe besteht doch zwischen beiden ein geistiges Band; „denn aus denselben Bedingungen sind beide geboren"?) Und dieser Gedanke einer brandenburgischen Nachahmung der auswärtigen wissenschaftlichen Vereinigungen brachte unser Land mit dem größten Genie der Zeit in unmittelbare Verbindung, mit G. W. Leibniz. Kursachsen hat zu dieser Zeit die besten Namen zur deutschen Wissenschaftsgeschichte geliefert, auch Leibniz; Nutzen zum allgemeinen Besten hat die brandenburgische Regierung mehr von manchen von ihnen zu ziehen gewußt, so auch von Leibniz. Zn Leipzig, als Sohn, eines Universitäts- Professors geboren, frühzeitig als Universalgenie sich offenbarend, war er, ohne Stetigkeit, ohne feste Stellung, an verschiedenen Höfen weilend, auf fast allen Gebieten damaligen Wissens tätig gewesen, als er mit 30 Zähren H676) vom Herzog Zohann Friedrich von Braunschweig-Lüneburg an die herzogliche Bibliothek nach Wolfenbüttel unter sehr günstigen Bedingungen gerufen wurde. Der Umfang und die Mannigfaltigkeit seiner Tätigkeit vergrößerte sich dort womöglich noch, da er hier noch die Aufgaben eines Historiographen des Welfischen Hauses zu der Fülle seiner sonstigen, mathematischen, staatsmännischen, kirchenpolitischen, philosophischen, technischen Arbeiten übernahm. Unter dem Braunschweiger Herzog Ernst August erhielt Leibniz jenen geschichtlichen Auftrag, und kam dadurch in regeren Verkehr mit dem hannoverschen Hofe, und besonders mit der Herzogin Sophie und deren Tochter, der brandenburgischen Kursürstin Sophie Tharlotte (seit 168h, zwei geistreichen, lernbegierigen Frauen. Die letztere verpflanzte ein hohes geistiges Streben persönlich an den Berliner Hof. Unter ihrem Einflüsse mußte der „nahezu allmächtige" Minister Danckelmann dort abdanken, Leibniz wurde der Vermittler zwischen dem hannoverschen und dem Berliner Hofe, und die zwischen beiden entstandenen politischen Gegensätze wurden beigelegt, doch ist die Tragweite seiner persönlichen Wirksamkeit in diesen Verhandlungen noch nicht völlig klargestellt. Sowohl also aus staatsmännischen wie aus wissenschaftlichen Beweggründen geschah es, daß Leibniz einen schon früher gefaßten plan zur Gründung einer wissenschaftlichen Gesellschaft in Berlin jetzt energischer betrieb. Zm Zahre 16st8 unter-
? A. harnack, Gesch. d. Kgl. preuß. Akademie der Wissenschaften. Berlin >900.— Dieses Werk bildet wesentlich eine Grundlage unsrer folgenden Darstellung.