Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
Seite
458
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§58

Streitigkeiten der Konfessionen stand, so konnte ihr Hof auch der Mittelpunkt der kirchlichen Friedensbestrebungen damaliger Zeit werden. Als Enkelin des Winterkönigs, war sie selbst reformiert Beausobre und Lenfant waren ihre Beichtiger, aber ebenso hörte sie denverwegenen Aufklärer" Toland, wie den fortschrittlich gesinnten Iesuitenpater Vota.

Und dennoch war Brandenburg das erkannte Leibniz bei seinen kirchlichen Eini­gungsplänen klar der einzige Staat, auf den sich der von Frankreich her bedrohte deutsche Protestantismus stützen konnte, nachdem die Gefahren für diesen durch den Übertritt des Kurfürsten von Sachsen zum Katholizismus sich noch vergrößert zu haben schienen. Der Große Kurfürst hatte Brandenburg zur protestantischen Vormacht erhoben, die religiöse Toleranz war nur unter protestantischem Regime denkbar, und nur unter diesen Bedingungen konnte die Wissenschaft wirklich gedeihen. Deshalb hat Leibniz die sich bietende Gelegenheit einer Verbindung mit Brandenburg freudig ergriffen, und den damaligen glücklichen Umständen in der brandenburgischen Hauptstadt war also auch die staatliche Gründung einer großen wissenschaftlichen Gesellschaft zu danken. Es war dann die Schuld politischer Erwägungen, daß Leibniz' preußische Mission so schnell ihr Ende erreichte, da man sowohl in Hannover als auch in Berlin mißtrauisch in Leibnizens staatsmännische und kirchliche Absichten wurde. Er starb 17 I 6 in Verein­samung, obwohl er, soviel wir wissen,niemals spezifisch wölfische, sondern nur stets universal-protestantische Ziele in Berlin verfolgt hat/")

Aber nicht bloß in der unmittelbaren Umgebung der geistvollen Kurfürstin regte sich innerhalb der Mauern Berlins wissenschaftlicher Geist, und Leibniz suchte schon frühzeitig Verbindung mit den führenden dortigen Männern. Ezechiel von Span­st eim hielt seit etwa sSstO in seinem Hause regelmäßig wissenschaftliche Zusammen­künfte ab und schuf so eine gewisse Vorstufe der Akademie; Isaak Beausobre, der Hofgeistliche, der Staatssekretär und Hofrat Euneau (auch Euno sich schreibend), der Professor der Philosophie am VollsM krangnis in Berlin, Gründer desRouvsau llournal dos Lavnnts", Ehauvin, der Geheime Kriegsrat Daniel Ludolf von Danckelmann, der Staatsminister von Danckelmann selbst, sowie der Hofprediger Iablonski das waren die Spitzen der dortigen geistigen Aristokratie und haben mit Leibniz korrespondiert.

Aber die gemeinsamen Pläne des großen Philosophen und der Kurfürstin mußten erst sich die Bahn frei machen durch den Sturz des herrschenden Staatsmannes. Denn Danckelmann, der frühere Fürstenerzieher, der beinahe allmächtige Minister, war voll strengen, brandenburgischen Patriotismus, dessen Blick nur auf das Gedeihen des engeren Vaterlandes gerichtet war, und hatte sich von Anfang an mißtrauisch gegen die Rnionsbestrebungen gezeigt, wie sie Leibniz und auch die Kurfürstin verfochten, zumal wölfische Interessen bei der letzteren sich geltend machten. Durch Danckelmann sah sich die Fürstin in allen ihren Absichten gehemmt, und er hat dafür ihren leidenschaftlichen Haß lange Jahre hindurch fühlen müssen. Erst nach seiner Beseitigung war für die Pläne Leibnizens die Bahn frei geworden. Die jetzt fast vollständig veröffentlichte Korrespondenz Leibnizens mit Sophie Eharlotte enthüllt dessen große Pläne vollkommen. Die verbündeten Häuser von Braunschweig und Brandenburg sollten nicht nur eine

h A. harnack, a. a. V.