Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
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bringendem, als daß er Aufnahme bei ihr gefunden hätte. Daß der Pietist Francke in Halle gleich anfangs zum Mitglied gewählt wurde, lag in dessen greifbar nützlichen Schöpfungen für das Volk.

Trotz der glänzenden Entwicklung des höheren geistigen Lebens in Berlin in den zwei Dezennien seit dem Tode des Großen Kurfürsten war der wissenschaftliche Glanzpunkt der Zeit im Preußischen Staate doch nicht in der Mark selbst oder deren Hauptstadt, sondern in dem außerhalb gelegenen Halle. Dort hatte eine neue Philosophie Wurzel gefaßt, und die beiden Richtungen des Bildungswesens, der Pietismus und das praktisch-weltliche, realistische Ideal des Weltmannes, fanden dort ihren Mittelpunkt. Ihre einflußreichsten Vertreter waren August Hermann Francke und Christian Thomasius. Dort auch offenbarte der Staat deutlicher als zuvor den Willen, sich in einer Universität ein wissenschaftliches Instrument des Fortschrittes besonders für seine Beamtenwelt zu schaffen. Aber man darf nicht vergessen, daß diese erste moderne Universität eigentlich in Berlin gestiftet wurde. Der Hof von Berlin, die dortigen Staatsmänner und Gelehrten, der dortige tolerante, freiere Geist, sie standen an ihrer Wiege. Aber in fruchtbarer Wechselwirkung wurde auch viel von dem Halleschen Geistesleben wieder auf Berlin übertragen.

Die wissenschaftliche Bühne in Brandenburg-Preußen wies, wie man erkennt, um s 700 also schon ein ganz anderes Aussehen auf wie unmittelbar nach Beendigung des großen Religionskrieges. . Aber auch das mittlere Schulwesen setzte in derselben Zeit neue, bedeutungsvolle Knospen an. Der Einfluß der wissenschaftlichen Regsamkeit war dabei mehr nur ein mittelbarer. Zwar versuchte immerhin ein bedeutsamer Vor­gang die junge Sozietät der Wissenschaften Einfluß zu gewinnen auf das Schulwesen durch Reformierung des Unterrichtes mit Hilfe der Schulbücher, aber tiefer gehende Anregungen kamen doch von anderer Seite. Die Sozietät hatte mit ihrem Vorgehen in das Gebiet des Schulwesens viel weniger ideale, bildungsfördernde Absichten als sehr materielle im Auge. Um die anfangs so schwachen finanziellen Grundlagen des großen Institutes zu stärken, wurden von Leibniz die verschiedensten Vorschläge gemacht; neben dem Kalendermonopol wurde ein Privileg auf Seidenkultur, auf Fabrikation von Feuerspritzen u. a. erstrebt. Dazu kam dann schon 1700 der fürst­liche Befehl, die Sozietät solle über dieInformation der Jugend die Aufsicht üben, für gute Schulbücher ,wegen des Notllolli ckoeouckll" Sorge tragen; sie sollte danach vor allem ein Privileg erhalten, Schulbücher zu verlegen und einzuführen. Mit diesem Schulbüchermonopol sollte wirklich die fürstliche Sozietät und damit der Staat selbst über das gesamte Schulwesen, das erst im Begriff war, Staatsangelegenheit zu werden, die Aufsicht erhalten und die Zentralisierung des Staatswesens auf dieses ausgedehnt werden, bis zur völligen Einheitlichkeit der Hilfsmittel und der Methode. Wichtig ist auch der im Schoße der brandenburgischen Regierung (zuerst > 708) auftauchende Gedanke, durch eine Art Schlußprüfung die Schulanforderungen zu regeln und dem Zudrang zu den Universitäten entgegenzuwirken. Uber das Uberhandnehmen eines studentischen Proletariats und der Uberfüllung der gelehrten Stände ist schon unter dem Großen Kurfürsten, und seitdem immer von Zeit zu Zeit geklagt und dagegen angekämpft worden.