Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
Seite
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Die Schulbücherangelegenheit wurde nun auch ganz im großen Stile einer Staatsaktion angefangen. Ls wurden Kommissionen von Ministern und wohl zum ersten Male im Staate Brandenburg von Fachmännern, den Schulleitern, gebildet, welche die Herstellung der erforderlichen Schulbücher in die Wege leiten sollten. Die Rektoren der damaligen vier Gymnasien zu Berlin, des Grauen Klosters, des Ioachims- talschen, des Berlinisch-Töllnischen und des Friedrich-Werderschen standen an der Spitze neben dem Staatsmann Danekelinann. Man hoffte, daß die fugend durch die neuen SchulbücherSprachen und Wissenschaften auf kurze und bequeme Art begreifen möchte". Das wichtigste Schulbuch wäre noch immer eine lateinische Grammatik gewesen: Da der berühmte Schulmann Joachim Lange mit unter den Beratern war, so nahm man zunächst dessen Grammatik in den Schulbücherkanon auf. Als aber s70si Lange nach Halle ging, unternahm die Staatskommifsion die Ausarbeitung einer all­gemeinen lateinischen Mustergrammatik, die unter dem NamenOrummatioa lUareknoa" bekannt ist. Line auszugsweise Probeveröffentlichung fand in der Mark ziemlich allgemeinen Beifall; die gesamte brandenburgische höhere Schulwelt nahm an der Sache den lebhaftesten Anteil. , Man überschaut bei dieser Gelegenheit das ganze Netz der damaligen höheren Bildungsstätten, wenn man die auf diese Probe hin ein­gegangenen Stimmen vernimmt: In Brandenburg (Neustadt), Ruppin, Lottbus, Landsberg, Tüstrin, Frankfurt, Rathenow, Grossen, Tangermünde, Züllichau, Salz­wedel, Königsberg (Neumark) waren reformeifrige Rektoren; doch geschah die Ein­führung nur unter staatlichem Zwange und ist nie völlig durchgedrungen. Danach wurde bis zum Jahre s720 eine ganze Reihe von lateinischen und griechischen Schul­büchern ausgearbeitet oder wenigstens vorbereitet. Der Gedanke einer Uniformierung des Schulwesens hat aber glücklicherweise nie ganz Fuß gefaßt. .

Jener Rektor Joachim Lange war einer der namhaftesten Schulmänner der Zeit. Lr vertrat bezüglich der didaktischen Theorien gewissermaßen Brandenburg-Preußen gegen das im Schulwesen bisher an der Spitze marschierende Kursachsen. Hier war der berühmte Zittauer Rektor Thristian Weise der Verfechter der humanistischen Ideale, vor allem einer an den Alten geschulten Rhetorik, der Schönrednerei, einer formalen Bildung nach antiken Mustern. Der Berliner Rektor stand in seinen energischen Streit­schriften auf der Seite einer mehr realen Anschauung. Ihm war überall die Sache, auch bei den Schriftstellern, die Hauptsache. Als Theolog wie als Pädagog folgte er in der Betonung eines moderneren weltlichen Lrziehungsideals den Vorkämpfern des Pietismus, vor allem A. H. Francke, nur daß er noch erheblichen Wert auf gute Latinität" legte. Wie also Sachsen die althumanistischen Erziehungsziele festhielt, trotz aller modischen Reformen, so wurde Brandenburg das Gebiet der pietistischen Bildungs­ideale. Spener, Francke, Lange gaben hier den Ton an, der gegen alle Gegengeräusche mehr und mehr durchdrang: Im Religiösen gemütvolle Innerlichkeit und innere Freiheit gegen dogmatisches Formelwesen und splitterrichtende Engherzigkeit im Weltlichen gesellschaftliche Klugheit auf dem Grunde christlicher Sittenlehre, sowie Be­tonung der Sachkenntnisse gegen Überschätzung der Redekunst. Der Unterschied der Richtungen bestand wesentlich darin, daß die Lateinschulen Weisescher Färbung mehr Geschichte und deutsche Sprache bevorzugten, die pietistischen dagegen mehr religiöse Übung,