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Bibellektüre, mehr das Griechische als das Lateinische und mehr Naturwissenschaften — beide unter Beibehaltung des Altsprachunterrichtes als Mittel- und Schwerpunkt.
So war es denn wieder gerade Brandenburg mit seinen angegliederten Gebietsteilen, wo das realistische Bildungsideal zuerst klarer hervortrat und zuerst die ihm gleichgearteten Formen auch im Schulwesen entwickelte.
Nicht im Herzen von Brandenburg, aber in dem von Berlin aus befruchteten Halle gewannen die realistischen Bildungsideen Gestalt, hier entstand die Vorfrucht der Schulanstaltskategorie, die zirka 100 Jahre später als Realschule allgemeinere Bedeutung gewann.
Pfarrer Christoph Semler in Halle, ein vielseitig interessierter Mann, den vor allem auch technische Fragen beschäftigten, hatte die Schulaufsicht über die dortigen „Deutschen Schulen", also Volksschulen im Gegensatz zu den „Lateinschulen". Als solcher lernte er die Bedürfnisse des Volkes kennen, und eine bessere berufliche Ausbildung des Handwerkerstandes schien ihm die Vorbedingung zur Hebung des ganzen Volkes. Er schuf dort eine „mathematische handwerkerschule". Mit seinem Tode h740) aber scheinen auch diese bescheidenen Anfänge einstweilen wieder verschwunden zu sein. In ihnen aber stak der Reim einesteils der Realschule, andernteils der Fortbildungsschule und des Handarbeitsunterrichts. Denn es sollte nach Semlers Vorschlägen Unterweisung stattfinden im Gebrauch von Zirkel und Lineal, in den Anfangsgründen der Mechanik, über die Bedeutung der Maße, Münzen, Gewichte, in den Anfängen der Materialienkunde und der Kalkulation.
In Sachsen und in Brandenburg, wie in ganz Deutschland, ist dieser Zeit aber fort und fort jene Berücksichtigung des Adels eigentümlich: eine Folge der sich befestigenden Prinzipien des absoluten Fürstentums (s. o.). Immer wieder wurden die Versuche mit Gründung von „Ritterakademien" erneut. Im Jahre t?(U entstand in Brandenburg a. d. h. eine Ritterschule. Die Lehrbücher von Meises Schüler Hübner wurden dort benutzt; aber man führte auch Geometrie, Fortifikationslehre und Französisch als Unterrichtsfächer ein. Eine Berliner Adelsschule, gegründet hatte, obwohl tüchtige Lehrkräfte an ihr tätig waren, nur einen kurzen Bestand, da ihre Unterhaltung zu große Kosten verursachte. König Friedrich Milhelm I. hat sie bei seinem Regierungsantritt sogleich aufgehoben.
Einen ähnlich vornehmen Charakter wie die Ritterakademien, jedoch mit einem mehr gelehrten Grundton, hatte die für die französische-reformierte Gemeinde zu Berlin im Jahre t68ß gestiftete höhere Schule, die besonders von Spanheim zu verdanken ist, das spätere sogenannte Französische Gymnasium. Sie nahm ihr Muster von den kalvinischen Lehrinstituten Frankreichs und der Schweiz, den berühmten Schulen Port Royal zu Paris und denen von Saumur, Sedan und Genf?) Es war somit ein „exotisches Gewächs auf Berliner Boden", hier herrschte wie bei den französischen Kalvinisten noch immer wesentlich der Geist des reinen Humanismus, und selbst die Lehrbücher des großen Erasmus von Rotterdam standen dort noch in Geltung.
Jene Ritterakädemien waren der Ausfluß eines neuen Bildungsbegriffs, einer Berusserziehung. Das tatsächliche Leben trat mit seinen Forderungen mehr und mehr
') vgl. lZeubaum a. a. V. S. iZsff.
Brandenburgische Landeskunde. Bd. IV 30