— H66 —
an die Bildungsanstalten heran gegenüber den rein theologisch-philologischen, alten Idealen, und die Scheidung der Stände in der Wirklichkeit verursachte jetzt auch eine Scheidung der Lehranstalten. Wie die Ritterakademien für Adel und Militär geschaffen waren, so waren die alten, umgesormten Lateinschulen die Schulen für die Beamtenwelt des Staates im weitesten Sinne; und so lag der Gedanke einer allgemeinen Berufsbildung, auch der niederen Stände, nicht fern. Auf diesem Gedanken baute sich eine größere Fürsorge für die geistige Hebung des gesamten Volkes auf und verband sich mit dem kirchlichen Interesse an einer allgemeinen religiösen Bildung, wie es der Pietismus soeben neu geweckt hatte, zu stärkeren, staatlichen und privaten Bestrebungen zur Ausgestaltung des Volksschulwesens.
Deshalb kann man auch gerade jetzt, unter der Regierung König Friedrichs I. eine erhebliche Entwicklung der brandenburgischen Volksschule konstatieren?) Der Einfluß des Pietismus hatte den Katechisationen in Stadt und Land wieder neue Bedeutung gegeben; so wurde den Pfarrern und Lehrern in Edikten von s683 und t 6H2 die Katechisation mit Erwachsenen wie mit der Jugend erneut eingeschärft, der Konfir- mandenunterricht wurde auf Speners Betrieb allgemein eingeführt, und den Geistlichen wurde die Schulaufsicht vom Staate als Amtspflicht übertragen. Aber die Einführung einer allgemeinen Kirchenordnung für die gesamte Kurmark ist auch Friedrich I. ebensowenig gelungen wie seinen nächsten Vorgängern, wenigstens hat er die Vollendung des angeregten Reformwerkes nicht mehr erlebt, nachdem er durch den Propst F. 5. Lütkens und unter dem Minister M. v. Printzen durch die hauptstädtischen Geistlichen, Bischof Krsinus, Propst E. G. Blankenburg und G. F. Schnaderbach verschiedene Vorschriften zu neuen Visitationsarbeiten hatte ausgehen lassen, woran dann sein Sohn und Nachfolger angeknüpft hat, indem er nach dem Jahre die begonnene Kirchen- und Schulenvisitation fortsetzen ließ. Auch Friedrichs I. Sorge wandte sich vorzugsweise den Kirchen und Schulen seiner eigenen Konfession zu, der reformierten, und nicht zu unterschätzen ist die Wirkung der bekannten Nons xiotatis-Slistung Höstö), mit der ein Kapital von 100 000 Talern festgelegt wurde zur Unterstützung der Kirchen und Schulen der „wahren reformierten Religion".
Es war die Zeit Friedrichs I. wesentlich unter dem Einfluß der pietistischen Richtung besonders günstig für das Volksschulwesen, so daß ein Urteil der neueren Forschung lautet: „Es ist während der Regierungszeit Friedrichs I. durch die Gründung von Schulen in den Filialdörfern und durch die Gründung von Armen- und Parochialschulen in den Städten mehr für das Volksschulwesen der Kurmark geschehen als während der Friedrich Wilhelms I.,"h den man bisher den „Vater der preußischen Volksschule" zu nennen pflegte.
Und zweifellos ist im allgemeinen die Zeit des ersten Preußenkönigs eine Glanzepoche national-geistigen Aufschwungs: Die Gründung der Kunstakademie unter Danckelmanns Protektorat, der Sozietät der Wissenschaften, der Universität Halle, der Ritterakademien, des Französischen Gymnasiums, der Friedrichsschule zu Frankfurt a. d. M., die Hebung der Volksschule — das sind bildungsgeschichtliche Glanzpunkte dieser wenigen Jahre.
0 wienecke a. a. V. 2. qyff. 2) Ebenda.