46?
Vierte Periode.
Von der Gründung der Sozietät der Wissenschaften bis zur Gründung der Universität Berlin.
Die Erziehung des Königs Friedrich Wilhelms I. bildete geradezu einen Mittelpunkt von Bildungsfragen. Seine hochgemute, geistvolle Mutter hatte neue Reiser auf den geistigen Stamm des Landes gepfropft; aber — seltsam — gerade bei dem Sprossen ihres eigenen Blutes setzte die verfeinerte Bildung nicht an. Das führte zu Konflikten zwischen den erzieherischen Faktoren. Dem erhebenden Schauspiel der Stiftung einer großen, wissenschaftlichen Gesellschaft ging zur Seite ein persönliches Intrigenspiel am Hose.
Der leitende Staatsmann, von Danckelmann, hatte hinter den wissenschaftlichen Plänen der Kurfürstin Sophie (Lharlotte welfische Machenschaften befürchtet und diese zu Hintertreiben gesucht, bis er der hohen Frau das Feld räumen mußte. Die Beweggründe ihres Handelns sowie ihres Gemahls, des Kurfürsten, sind nicht gänzlich zu durchschauen. Sie hatte es verstanden, ihren Gemahl davon zu überzeugen, daß Danckelmann beinahe selbstherrlich regierte, finanziell schlecht wirtschaftete und sich um die Verpflichtungen zur Rechenschaftslegung nicht kümmerte. Unter den Anklagepunkten, die sie gegen den Minister und „Mberpräsidenten" vorbrachte, war einer der wichtigsten, der aber doch nicht durchschlagend sein konnte, daß er die Erziehung ihres Sohnes absichtlich vernachlässige. An ihre Mutter, die ihren Haß gegen den Staatsmann teilte und schürte, schrieb sie: „Wäre es auch nur die Erziehung meines Sohnes gewesen, worin er verbrecherisch gehandelt hat! Denn er hatte ihn in die Hände eines Lehrers gegeben, der ihn im Einverständnis mit seinem Sohne vernachlässigte und alle Bemühungen des Grafen Dohna unnütz machte, und statt ihn auf etwas Gutes hinzuweisen, waren sie alle beide darin eins, ihm sein Gemüt mit sämtlichen Schlechtigkeiten zu verderben, und damit dann die Schuld nicht aus sie fiele, sagten sie überall, mein Sohn batte eine so schlechte Naturanlage, daß sie damit nicht fertig werden könnten, und im Lernen ist er bis zu dem Grade verwahrlost worden, daß er noch vor acht Monaten weder lesen noch schreiben konnte?) Ein andermal schreibt sie, Danckelmanns Gefangensetzung in Spandau sei gerechtfertigt u. a. dadurch, daß er „meinen Sohn wie einen Einfaltspinsel hat erziehen wollen, zum Vorteil seiner eigenen Familie, in der er das Kurfürstentum vom Vater auf den Sohn hat erblich machen wollen."
Man erkennt unschwer die Übertreibung des leidenschaftlich erregten Frauengemütes, aber man wird auch den Anteil eineZ bekümmerten Mutterherzens nicht bestreiten können. Freilich hat die schöne „philosophische Königin" nicht hervorragende Muttereigenschaften und Erziehungsgaben bekundet. Wenig wissen wir von dem Verhältnis zwischen dieser hochbegabten Frau und ihrem einzigen Kinde.
In ihren Briefen erwähnt sie es nur selten und nur nebenbei. Dennoch hat auch
*) Roth, Sophie Lharlotte, die erste preußische Königin (Deutsche Rundschau, Bd. 52 ( 1887 ).
30 *