Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
Seite
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sic die echt mütterliche Sehnsucht gehabt, mit ihrem Heranwachsenden Sohne in ein rechtes Verhältnis zu kommen; sie hat darüber nachgedacht, wie sie dies bewirken könnte, und hat sich gegrämt, als sie sah, daß es ihr nicht gelingen wollte. Und wirk­lich, es ist ihr nie gelungen. Seltsam! aus der Ehe zwischen den beiden, sich in mancher Hinsicht so ähnlichen Gatten, Friedrich und Sophie Eharlotte, die beide ihr Glück und ihr Wesen fanden in einem durch Geist verfeinerten, höfischen Glanz, im frohen Spiel geistiger Uräfte, im Rahmen eines bewunderten, bunten Hoflebens von europäischem Ruse, war ein Unabe entsprossen, der aus ganz anderem Stoffe gemacht schien.

Friedrich Wilhelm war eine ziemlich robuste Natur, mit einem angeborenen, festen Eigenwillen, der es schwer machte, ihn zu behandeln und zu lenken. Sein ledig­lich soldatischer Ehrgeiz zeigte sich schon in den Knabenjahren, und seine schöngeistige Nkutter sah mit Bedauern, daß ihm Lektüre von Büchern und ihre geistvollen An­merkungen ebensowenig Interesse abgewinnen konnten, wie etwa Tanz und Komödie- spielen. Alles das verbitterte die überall an Erfolg gewöhnte Uurfürstin, so daß sie imgerecht gegen den Sohn wurde, wie er es aus seiner Natur heraus gegen sie war. Kummervoll schreibt sie an ihre Vertraute, die Frau von pöllnitz:Der junge Nkensch, den ich nur für lebhaft, für stürmisch hielt, läßt jetzt eine Herzenshärtigkeit an den Tag treten, die dieses Herz als sehr schlecht verrät." Am meisten empörte sie des Prinzen taktloses, unhöfliches Wesen, zumal den Damen gegenüber, das an dem nun so ver­feinerten Hofe sehr unangenehm auffiel; keine Spur der höfischen Galanterie zeigte sich an dem jungen Fürstensohne.

Aber diese Erregung über das unverstandene Wesen des Lohnes zeigt der Mutter Liebe ebenso deutlich wie ihr Schmerz bei der Trennung von ihm, als er s70f zu seiner Ausbildung eine Reise nach Holland antrat. Mütter und Lohn haben sich niemals wiedergesehen, denn die schöne Königin starb auf einer Reise zu Hannover im chahre darauf. Wenn man Friedrich Wilhelms Entwicklung überschaut, wie er sich mehr und mehr von der Art beider Eltern entfernte, so muß man dem Forscher beistimmen, der sagt:Nimmermehr wäre Friedrich Wilhelm I. sonst der Begründer der preußi­schen Machtstellung, der Bildner eines unnachahmbaren Offizierkorps, der Zuchtmeister seines ganzen Volkes, Preußens ,größter innerer Königs geworden," und die Zeit des glänzenden Hofes von Friedrich I. und Sophie Eharlotte hat herbere Kritiken über sich ergehen lassen müssen, als die nüchterne Zeit des Soldatenkönigs, wie auch der große Enkel Friedrichs I., Friedrich II., weit mehr Anerkennung für den Vater als für den Großvater empfunden. Des neuen Herrschers erste Regierungshandlung im Zahre 1713 war, den nun 70jährigen Erzieher seiner Jugend aus der Verbannung wieder nach Berlin zu führen, um ihm mit Gnaden zu lohnen, was Vater und Mutter an ihm verschuldet hatten.

Bekanntlich hat diesem Herrscher erst die neuere Geschichtsforschung die ihm ge­bührende Stellung in der Entwicklung des preußischen Staatswesens eingeräumt, und einer der jüngsten Forscher auf dem Gebiete des deutschen Bildungswesensh rühmt auch dessen großen Einfluß auf diesem Felde, indem er sagt:Dieser König unterliegt leicht

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