— H69 —
-er Gefahr, in seinen Leistungen für das Bildungs- und Unterrichtswesen unterschätzt zu werden. Sein ganzes Gebaren trägt, auch wenn man die ihm mit Unrecht zugeschriebenen Züge wegnimmt, einen so bildungsfeindlichen Tharakter, seine Verachtung aller Theorie geht so weit und kommt so ungeschlacht zum Ausdruck, daß man es für unmöglich halten muß, von diesem Fürsten eine Förderung des Bildungswesens erwarten und annehmen zu dürfen. Sein praktischer, aufs Nützliche gerichteter Geist, der der ganzen Zeit eigentümlich ist, wird nicht durch irgendwelche Neigung für äußeren Glanz wie bei seinem Vorgänger oder durch den Sinn für innere Schönheit, für Form und Maß wie bei seinem Nachfolger gemildert und abgeschwächt . . . Und doch nimmt dieser Herrscher eine epochemachende Stellung in der Geschichte des Unterrichtswesens ein." Die reine und höhere Wissenschaft konnte von einem Manne mit solchen Tharaktereigenschasten keine wesentliche Förderung erwarten, aber das Bildungswssen des Volkes in Brandenburg-Preußen beginnt unter ihm erst, sich als integrierender Bestandteil den Aufgaben des Staates beizugesellen. Und — wenn wir das (Organisatorische betonen, so lassen sich allerdings wohl die genannten Urteile über Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I. vereinen. Auch die Vorgänger in der Regierung hatten sich das Bildungswesen ihres Volkes angelegen sein lassen, wie wir gesehen. Aber ihr Streben auf diesem Gebiete hatte etwas Zufälliges, Vereinzeltes an sich, das vielfach einem Aufleuchten aus großen Ideen glich, ohne bleibenden Schein; zum Teil waren es sogar nur ergebnislose Versuche. Des neuen Herrschers Wirken hatte die Stetigkeit und Konsequenz für sich. Ihn unterstützte dabei die immer mehr sich verallgemeinernde Anschauung von der Staatsallgewalt, aber auch der Staatspflicht, und Friedrich Wilhelm fühlte sich ganz besonders im Dienste dieser Idee.
Tine Schwierigkeit jener Förderung des Bildungswesens im Brandenburgisch- preußischen Staate lag in der konfessionellen Spaltung seiner Untertanen. Denn da das Schulwesen, aber auch das Universitätswesen noch in engster Verbindung mit den kirchlichen Behörden stand, wie von alters her, so konnte deren Entwicklung nicht von einer Zentralstelle her geleitet werden. Zudem hatten die kirchlichen (Organe selbst bis in die Regierung Friedrich Wilhelms hinein keine Zentralgewalten. Nach verschiedenen ähnlichen Zentralisierungsversuchen während früherer Regierungszeiten wurde jetzt erst ((7 (3) für die reformierte Kirche als Zentralbehörde das „Kirchendirektorium" errichtet, und noch in demselben Jahre wurde dieser kirchlichen Behörde durch die „Inspektion-, presbyterial-, Tlassical-, Gymnasien- und Schulordnung", von 24. (Oktober die Aussicht auch über die höheren Schulen übertragen. Diese Schulordnung geht nur insoweit von dem alten Schema der informatorischen Schulordnungen ab, als das Streben nach Einheitlichkeit innerhalb des Staatsgebietes kräftigeren Ausdruck findet: Schulbücher und Lehrpläne sollen überall die gleichen sein. Ferner werden die Prüfungen, an denen der Staat selbst ein unmittelbares Interesse hatte, besonders genau geregelt. Als reformierte Lateinschulen kamen für Brandenburg nur das Ioachimsthalsche Gymnasium in Berlin und die Friedrichsschule in Frankfurt a. (O. in Frage, die — neben dem Llywngsium illustrer zu Halle — als Musterschulen gelten sollten.
Aber die Regierung beruhigte sich nicht bei der Regelung des höheren Schulwesens. Wenn auch die (7(5 und (7(7 angeordneten Schulinspektionen „hauptsächlich den