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Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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Philosophie unddes begründeten Denkens", Bestrebungen, die für die Akademie bald eine gefahrvolle Konkurrenz wurden.

Die Aufklärung, wesentlich von Frankreich und England aus angeregt, bemäch­tigte sich der Tendenzen zur Weltbeglückung durch Erhöhung des Bildungsniveaus und durch Verbreitung der Wissenschaft und verschaffte der zweiten Hälfte des 18. Jahr­hunderts den ruhmvollen Namen despädagogischen Zeitalters", denn niemand war im Zweifel, daß die Verbesserung des Menschengeschlechts eine verbesserte Jugend­erziehung in sich schloß. Die weitesten Kreise nahmen aber jetzt, im Gegensatz zu früher, an diesen Idealen Anteil. Die überall entstehendenMoralischen Wochen­schriften" machten es sich zu einer ihrer Hauptaufgaben, die bestehende Erziehungs­und Nnterrichtsweise einer beständigen Kritik zu unterziehen und auf Besserung nach neuen Forderungen, unter denen wohl die Gedanken Lockes obenanstehen, zu dringen. Berlin war nach Hamburg einer der Orte, wo solche Zeitschriften zuerst ins Leben gerufen wurden?) Das Streben, die Wissenschaft zu organisieren und damit zu fördern, hatte mehr und mehr Anerkennung gefunden. In Petersburg, in Wien, in Dresden waren die Gedanken und Anregungen von Leibniz zur Tat geworden, so daß man in Berlin nun auf die dort gegründeten Akademien wie auf Vorbilder für die heimische Hinweisen konnte. Durch wesentlich französischen Einfluß war aber neben dem sachlichen Interesse an wissenschaftlichen Bestrebungen auch das Gefühl für Schönheit und Glätte der Dar­stellung gewachsen. Dem Genie Friedrichs blieb keine von all diesen Strömungen der Zeit fremd: er hat ihnen überall die Bahn freizumachen gesucht und ist selbst ein uni­versaler Repräsentant dieser bildungsbeflissenen Zeit geworden.

Es ist ein Zeichen für die ursprüngliche Bedeutung der Berliner Sozietät der Wissenschaften, daß obwohl sie noch ganz, durch Personen und Organisation, einer verflossenen Epoche zugehörte Friedrich doch seine Tätigkeit zur Förderung des wissen­schaftlichen Lebens an diese Sozietät knüpfte. Es war freilich nur ein Akt der Gerechtig­keit, wenn er gleich nach seinem Regierungsantritt dieses Institut von dem Drucke be­freite, der während so langer Jahre unter seinem Vater auf ihm gelastet hatte. Nach­dem er sich über den Stand des Instituts hatte berichten lassen, schrieb er dessen Sekretär die ermutigenden Worte:Ich habe resolviret, daß in dem Etat von nun an die odiöse Ausgabe .Vor die sämmtlichen Königlichen Narreib cessiren soll . . . Ich werde auch noch ferner vor obgedachte Societät alle Vorsorge tragen und derselben von Meine Huld und protection reelle marque zu geben nicht ermangeln." 'ft

Aber der König mag bald den Eindruck gewonnen haben, daß es sich hier weniger um eine Rehabilitierung, um eine Neubelebung, als vielmehr um eine völlige Neu­schöpfung handeln konnte. Alle die wissenschaftlichen Sterne, die sein ganz in der neuen Zeit lebender Geist bewunderte, paßten offenbar nicht in den alten Bau.

Weder die Wolffsche, noch die französisch-englische Philosophie die beiden Großmächte des Zeitalters regierten in ihr; das Vorherrschen der medizinischen Ab­teilung ließ sie untergeordnet erscheinen, und die theologisch-kirchlichen Aufgaben galten als veraltet." Überdies fehlte ihr Esprit, Geschmack und Grazie, wie sie für die fran-

1) V. Lehmann, Die moralischen Wochenschriften des 18. Jahrhunderts. Leipzig 189H.

2) A. Lsarnack, a. a. D.