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Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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- §79

lf76Z86) saß der wirkliche Präsident der Akademie in Paris, erst d'Alembert, dann Londorcet; die Sekretäre der französischen Akademie leiteten zugleich die preußische! Dieser Zustand war unhaltbar; er wurde jetzt endlich in Berlin, in Preußen, in ganz Deutschland als eine Schmach empfunden und mit Groll und Bitterkeit beurteilt."

So ganz im Gegensatz zu den Strömungen im eigenen Volke repräsentierte der große König das höhere geistige Leben in Brandenburg allein.

Unter den deutschen Gelehrten der Akademie begegnen wir wie früher immer wieder tüchtigen Schulmännern, die in ihrem Amte die eigentliche Wissenschaft nicht ver­nachlässigten. Lange Jahre stand unter Friedrich dem Großen der Rektor des Ioachims- thalschen Gymnasiums, heinius, an der Spitze der philosophischen Klasse der Akademie, dem auf kurze Zeit der bekanntere Sulzer folgte. Man fand dann im In- wie Ausland keinen Nachfolger für diesen nach demGeschmackeFriedrichs; an Kant wurde nicht gedacht. Die Berliner Aufklärungsphilosophen: Mendelssohn, Nicolai, Teller, Engel, Spalding, Biester u. a. wurden nicht beachtet, der berühmte und bedeutende I. heinr. Lambert stand beim König übel angeschrieben. Und doch lag jetzt dem alternden König, der sich all­mählich von der absoluten Aufklärung frei machte, selbst im Gegensätze zu seinem verehrten d'Alembert, mehr als früher an den philosophischen Fragen, besonders soweit sie als Moral praktisch wurden. Und diese philosophischen Fragen, zugleich Fragen der Regie­rungskunst, brachten den König in seinen späteren Jahren in innigere Verbindung mit den pädagogischen Tendenzen der Zeit. Ein drastisches Zeichen von dem, was den König in seinem Innern bewegte, war vor allem die bekannte akademische Preisaufgabe, die er im Jahre 1778 durch die Akademie ausschreiben ließ. Während früher meist mathematische und naturwissenschaftliche, sodann spekulativ-philosophische Themata ge­geben worden waren, so verlangte der König in seiner herrischen Weise jetzt Themen von praktisch-nützlicher Tragweite und ersetzte selbst eine eben erst von der Akademie vorgelegte Preisaufgabe durch die berühmt gewordene Frage: Mb es nützlich sein könne, das Volk zu täuschen. Der Sinn dieser Frage war der, ob das Volk die volle und ganze Wahr­heit, wie sie die strenge Aufklärung verstand, also völlige Beseitigung aller offenbarten Religion, vertragen könne, oder ob die Täuschung des Volkes durch Beibehaltung, des kirchlichen Wesens zu dessen Besten sein würde. Schon seit Jahren war diese Frage zwischen dem König und seinem pariser Freunde behandelt worden; dieser stellte sich auf den Standpunkt der konsequenten Aufklärung, jener glaubte als Regent praktische Kon­zessionen machen zu müssen, und es war Friedrich eine Herzenssache, diese Angelegenheit vor den Areopag einer großen wissenschaftlichen Korporation zu bringen. Er hat keine bestimmte Antwort erhalten: die Akademie teilte in kluger Rücksicht den Preis unter verneinende und bejahende Antworten, da in der Tat die Frage nicht so einfach mit ja oder nein zu beantworten war.

Friedrich, selbst irre geworden an aller Philosophie und an dem unbedingten Segen religionsloser Aufklärung, stützte sich mehr und mehr allein auf den pflichtbegriff, und immer mehr bemühte er sich, unbekümmert um seine eigenen Überzeugungen, sein Volk glücklich zu machen. Dieses pflichtbewußtsein spricht sich wesentlich in seinen pädagogischen Bestrebungen aus. Und auch dabei sollte ihm seine Akademie behilflich sein. Er verlangte von ihr gute Übersetzungen der alten Schriftsteller, die er für sehr