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Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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§84

den Grundton, aber der gesamte Unterrichtsbetrieb: Schulzeit, Stundenplan, Unterrichts­fächer, Lehrbücher, wurde einheitlich geregelt. Nur eines trennt dieses großzügige Gesetz noch von den modernen Anschauungen vom Wesen der Volksschule: der Staat wollte als solcher keine Lasten für das Schulwesen im ganzen übernehmen; diese fielen den Ge­meinden und dem protektoratsadel zu. Dieser Umstand verhinderte von vornherein eine gleichmäßige Durchführung der Bestrebungen dieses Gesetzes. Die Folge war, daß trotz dieses Gesetzes sich bei der kärglichen Besoldung zu wenig geeignete Lehrer fanden, daß man nicht auf gehörige Vorbildung der Lehrer dringen konnte, daß die Schullokale meist ihre elende Beschaffenheit behielten wie vordem.

Auch der so verdienstvolle v. Zedlitz konnte hierin wenig Wandel schaffen. Zwar legte er einen höheren Maßstab an die Persönlichkeit des Lehrers, zwar betonte er auch für die Volksschule im Sinne des Philanthropismus Verbreitung von Wissen und praktischen Kenntnissen allein der Wangel an staatlich verfügbaren Mitteln hinderte nach wie vor jede durchgreifende Besserung?)

Da war es für die Mark Brandenburg ein Segen, daß sich in ihr ein wahrhafter Edelmann fand, der aus reiner Liebe zum einfachen Volke bewundernswerte Leistungen auf dem Gebiete des Volksbildungswesens der staunenden Mitwelt zeigte, wie sie ähnlich fast gleichzeitig jener große Schweizer in Offerten geschaffen hat: Pestalozzi. Und nicht mit Unrecht ward Freiherr Eberhard v. Rochow deshalb auch der Pestalozzi der Mark genannt. Geboren f73H in Berlin, war er als Grundherr der Mark preußischer General­major, hatte aber im Siebenjährigen Kriege eine schwere Verwundung erhalten, die ihn zwang, den Militärdienst zu verlassen. Nun widmete er sich wissenschaftlichen Studien und der Bewirtschaftung seiner Güter. Mit seinen Landleuten in engerer Fühlung stehend, erkannte er den tiefen Bildungsstand derselben und den Zusammenhang von Bildung und materiellem Wohlstand überhaupt. Er schrieb Volksbildungsschriften, wie denBauernfreund" (seit s773), eine Art Volksschullesebuch, das späterDer Kin­derfreund" genannt und mehrfach nachgeahmt wurde. Für die bessere Ausbildung der Lehrer auf dem Lande schrieb er ein besonderes Lehrbuch; denn in dem Mangel vor­gebildeter Lehrer sah er den Krebsschaden des ländlichen Schulwesens. Insofern wurde sein Vorbild von weitgehender Bedeutung. Er errichtete in seinem Schlosse Reckahn, sowie in seinen Dörfern Gettin und Krahne wohl ausgestattete Schulen unter treuer und emsiger Beihilfe seines Pfarrers Stephan Rudolph und seines wackeren Lehrers Julius Bruns, dem er seit 1772 die Leitung der Schule zu Reckahn übertvug, nachdem er ihn früher als Sekretär um sich gehabt hatte. Ein seltenes Vorbild seines Standes, wandte v. Rochow erhebliche Mittel auf und zeigte, wie auch auf dem Lande sich vieles bessern ließe. Sein Beispiel blieb nicht ohne Nachfolge. Zedlitz selbst, der lebhaft mit dem Herrn von Reckahn korrespondierte, errichtete Landschulen in Friedrichshagen bei Berlin, wie in der HauptstadtElementarschulen", und schrieb über die Notwendigkeit von Land- und Bürgerschulen. Der König aber, zwar nicht ohne Interesse für die Rochow- schen Versuche, war dem adligen Pädagogen nicht gewogen, wie diesen auch seine Standes­genossen vielfach verspotteten; und selbst die Geistlichkeit schätzte sein Streben gering.

tz L. Llausnitzer, Die volksschulxädagogik Friedrichs des Großen. Halle 1Y02.