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Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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friderizianische Schulreform noch die nächste Zeit hindurch fort. Zedlitz blieb vorerst noch Kultusminister, und das Vberschulkollegium vertrat das preußisch-märkische Unterrichts­wesen auf kurze Zeit im fortschrittlichen Sinne, indem es als Zmmediatbehörde, direkt unter dem Könige stehend, zum ersten Male vom Kirchlichen unabhängig dastand.

Durch diese ihre Sonderstellung wurde jedoch die neue Behörde sehr bald gerade eine Waffe in der Hand der nun einsetzenden Reaktion und der folgende Kultusminister, der antiliberale Wöllner, wußte sich Einfluß in diesem Kollegium zu verschaffen.

Der Abgang des Ministers von Zedlitz war unter dem neuen Könige von vorn­herein unvermeidlich. Aber kurz zuvor war noch eine brennende Frage im Schulwesen, vorläufig wenigstens, zu einem gewissen Abschlüsse gekommen.

Seit langem war die mangelhafte und äußerst verschiedene Vorbildung der auf die Universitäten gelangenden Studenten hindernd empfunden worden. Eine strenge Scheidung von höheren Schulen und Universität bestand noch nicht, ja weniger als je, seit­dem die sogenanntenakademischen" Gymnasien danach trachteten, die Aufgaben der Universitäten zum Teil mit zu übernehmen und über die allgemein üblichen Schulwissen- schasten in ihrem Betrieb hinauszugehen. Diesem Zustande sollte durch die gesetzliche Vorschrift eines Abgangseramens ein Ende gemacht werden: Ohne Bestehen der Schlußprüfung oder desAbiturientenexamens" sollte kein Schüler mehr auf den Universi­täten irgendwelche Stipendien erlangen dürfen. Es war also ein Studium immer noch auch ohne dieses Examen möglich, aber die Universität erhielt das Recht, ihrerseits den Aufzunehmenden prüfen. Auch diese beschränkte Studienregelung war ein großer Fortschritt. Nur Zedlitz und den ihm befreundeten Direktoren ist er zu danken, obgleich das Edikt erst am 22. Dezember s788 verkündet wurde und Möllners Unterschrift trug.

Es hat noch fast ein halbes Jahrhundert gewährt, ehe dieses Scheidungsexamen dauernd und allgemein zur Einführung gelangte, aber sein unbestreitbarer Segen begann ihm mehr und mehr Anerkennung zu erringen. Es war eine Neuerung von tiefgehendem Einfluß auf Schul- und Universitätswesen.

Nun aber kam jene Zeit, in der der schon niedergehende Pietismus, und zwar in seiner weniger sympathischen Form der selbstgerechten Frömmelei, den Kampf gegen die einseitige Herrschaft der Vernunft begann. Es konnte den Gegensatz der beiden sich ab­lösenden preußischen Herrscher nichts deutlicher kennzeichnen, als daß ein Wöllner, den Friedrich der Große denbetrügerischen und intriganten Pfaffen" genannt hatte, zum Nachfolger eines Zedlitz ernannt worden war.

Unter Wöllner, diesem erbitterten Feinde der Aufklärung, wurde manches wieder abgetragen, was das vorhergehende halbe Jahrhundert aufgebaut hatte. SeinReligions­edikt" vom 9 . Zuli 1,788 hat ihn in der Bildungsgeschichte berüchtigt gemacht. Ioh. Thristoph von Wöllner, aus dem jetzt militärisch bekannten Döberitz bei Spandau stam­mend, war ursprünglich Theologe und Hofmeister in einer adligen Familie und lebte dann lange Zeit als Privatmann und volkswirtschaftlicher Schriftsteller. Schon den Kron­prinzen Friedrich Wilhelm hatte er in pietistischen Zirkeln zu umgarnen verstanden und wußte sich von vornherein einen maßgebenden Einfluß auf ihn zu sichern. So wurde er sofort nach dessen Thronbesteigung geadelt, zum Geheimen Oberfinanzrat und 1,788 Zum Geheimen Staatsminister ernannt. Mit dem sogenanntenReligionsedikt" führte er