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schaumigen über die höheren Bildungsfragen gegenüber den letzten Jahren des verflossenen Jahrhunderts.
Die Universitäten waren im Dienste des Staates vor allem Beamtenschulen geworden, wenn jetzt auch mit der bloßen Übermittlung des Überlieferten durch hervorragende Gelehrte wissenschaftliches Streben verbunden wurde. Der allgemein vorhandene Wunsch nach Berufsbildung, welcher das Ende des 18. Jahrhunderts beseelte, suchte sich schließlich mit seinen Wirkungen auch auf die Universitäten zu erstrecken.
Besonders energisch hing dem allgemeinen Ideale der Berufsbildung der Minister Ern st v. Mafsow aus Neuguth an, der nach dem Abgänge Wöllners (f7ß7) an der Spitze des Geistlichen Departements getreten war. Dieser Ministerialabteilung unterstand auch die Unterrichtsverwaltung, wenn auch das Mber-Schulkollegium eine Art Selbständigkeit besaß. Massow war, wie schon Zedlitz, bestrebt, „an die Stelle der verwahrlosten Landschulen und der trümmerhaften Reste der althumanistischen Schuleinrichtungen nach Beruf und Stand gegliederte, auf das Praktische, unmittelbar Nützliche gerichtete (Organisationen zu setzen/") wie er es selbst später in seiner Schrift „Ideen zur Verbesserung des öffentlichen Schul- und Erziehungswesens" dargelegt hat. Folgerichtig verlangte er nun auch, als Zwischenstufe zwischen der Land- und Volksschule und den höheren Schulen eine besondere Schulgattung für die Kreise des Handwerks und der Gewerbe: die sogenannte „Industries chul e", und auf den dürren Stamm der alten Lateinschulen in kleineren Städten pfropfte er lateinlose „Realschulen" auf.
In demselben Sinne konnte Massow den bestehenden Universitäten keinen Geschmack abgewinnen. Er fand an ihnen keine genügende Gliederung nach Berufsverhältnifsen und hielt sie für einen „monströsen Zusammenwuchs mehrerer Schulen". Wenn er seine Ideen ungestört hätte durchführen können, so hätte vielleicht ganz Deutschland heutzutage keine Universitäten in unserem Sinne, sondern nur eine Anzahl höherer Fachschulen, Akademien, ähnlich wie etwa Frankreich.
Auch an der Wiege der Berliner Universität haben die entgegengesetzten Bildungsideen der Zeit miteinander in Streit gelegen; von Massow und Begine vertraten die Parteien.
Zunächst wurde das schon oben erwähnte OolleZium raoäleo- oliirnrAioum in Berlin Gegenstand der Pläne von Massows, da es dem Begriffe einer Fachhochschule schon ziemlich nahekam. Es war schon damals ein anerkannt ausgezeichnetes Institut, das mit allen Hilfsmitteln ausgestattet war; denn mit ihm waren das große Krankenhaus der Tharitö, der Botanische Garten, die Tierarzneischule, das Königliche Naturalienkabinett und das Anatomische Museum, welches letztere aus privatbesitz vom Staate angekauft war, verbunden. Und so wurden dort auch neben der eigentlichen Medizin der ganze Kreis der naturwissenschaftlichen Zweige gepflegt. Die bedeutendsten Arzte der Zeit wurden für die weitere Ausgestaltung des großen Instituts zu Rate gezogen: Reilin Halle und Hufelandin Berlin. Der letztere wurde mehr und mehr eine der markantesten Persönlichkeiten der preußischen Hauptstadt, der, obwohl Thüringer von Geburt, in allen Schicksalen Preußen treu blieb. In Jena hatte
/ vgl. A. veubaum, Die Reformbestrebungen unter Jul. v. Massow. (Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Lrziehungs- und Schulgeschichte, tdvH.)